Jul 17 2020

Gartenschau war viel teurer als geplant

Veröffentlicht von um 07:00 unter Pressespiegel

Quelle: Waiblinger Kreiszeitung vom 16.07.2020 / Lynn Bareth

Da hat sich Kernen saftig verschätzt: Die Schlussabrechnung legt ein Defizit von über einer Million Euro dar / Wie kam es dazu?

Die Schlussabrechnung der Remstal-Gartenschau liegt nun endlich vor. Sie bestätigt, was viele vielleicht schon befürchtet hatten: Die Gartenschau kommt die Gemeinde Kernen um einiges teurer zu stehen, als eigentlich vorgesehen. Ende 2017 hatte der Gemeinderat einem Budget von gut sechs Millionen Euro für die zahlreichen Bauprojekte sowie zusätzlichen 550 000 Euro für den Veranstaltungsbereich zugestimmt. Im Nachhinein zeigt sich nun: Realistisch war zumindest die Einschätzung des zweiten Postens nicht.

Bei der Sitzung des Gemeinderats Kernen am vergangenen Dienstag musste die Verwaltung den Bürgervertretern eine ganze Menge rote Zahlen präsentieren. Wenig erfreulich fällt der Bericht über die Veranstaltungsreihe der Remstal-Gartenschau aus: 579 000 Euro mehr als geplant sind in diesem Bereich ausgegeben worden – das ist mehr als doppelt so viel, wie der Gemeinderat ursprünglich genehmigt hatte.

Einnahmen wurden viel zu hoch angesetzt

Zum einen waren Personal, Veranstaltungstechnik und Co. etwas teurer als vor der Remstal-Gartenschau angenommen. Aber das riesige Defizit lässt sich allein dadurch nicht erklären. Tatsächlich hat sich die Verwaltung bei den Einnahmen saftig verschätzt: So war mit 3000 verkauften Remstal-Cards gerechnet worden, gerade mal die Hälfte davon konnte tatsächlich an den Mann gebracht werden. Auch bei den Sponsoren- und den Eintrittsgeldern war die Gemeinde von gut doppelt so hohen Einnahmen ausgegangen – die ebenfalls im Voraus eingeplanten 65 000 Euro Parkgebühren blieben leider nur ein Traum.

„Wir hatten noch nie eine Veranstaltung wie die Remstal-Gartenschau, uns haben ganz einfach Vergleichswerte gefehlt“, erklärt Sabine Payer-Herkommer am Dienstagabend im Bürgerhaus. Sie hat als Leiterin der Gemeindeentwicklung die undankbare Aufgabe, den Gemeinderäten die recht traurige Bilanz aufzuschlüsseln – Gartenschau-Manager Wolf Grünenwald, drei Jahre lang als insgesamt mehr als 200 000 Euro teure Honorarkraft in Kernen angestellt, ist schließlich längst zum nächsten Einsatzort weitergezogen. Und auch der für das Mega-Event verantwortliche Bürgermeister Stefan Altenberger ist nicht mehr im Amt.

Vielleicht reagiert der Gemeinderat deshalb so überraschend milde. „Niemand erklärt ein solches Defizit so charmant, wie Frau Payer-Herkommer“, witzelt Andreas Wersch (CDU). Er sieht die Schuld nicht allein bei der Verwaltung, nein, die Gemeinderäte müssten sich auch an die eigene Nase fassen. „Vielleicht waren wir alle etwas zu blauäugig“, fügt Hans-Peter Kirgis (SPD) hinzu. Wie sonst wären die Kernener jemals auf die 65 000 Euro Parkgebühren gekommen? Es sei gut, wie offen die Verwaltung über die Missstände spreche, darüber sind sich die Bürgervertreter einig. Doch es werden durchaus auch kritische Stimmen laut: So wirft Ebbe Kögel (PFB) der Verwaltung vor, vor lauter Konkurrenzkampf mit anderen Kommunen wichtige Themen vernachlässigt zu haben: Die Gartenschau habe die Chance geboten, die Rems großflächig zu renaturieren oder den Radverkehr stärker zu fördern. Stattdessen habe man ganz nach dem Motto „nicht kleckern, sondern klotzen“ viel Geld aus dem Fenster geworfen, nicht nachhaltig genug gewirtschaftet und die örtlichen Vereine vernachlässigt. Kögel bezweifelt, dass jede der mehr als 10 000 Veranstaltungen das viele dafür verwendete Geld wert war. Hat sich die Gemeinde Kernen im Konkurrenzkampf vielleicht doch etwas übernommen?

„Das Defizit ist hoch, das lässt sich nicht von der Hand weisen“, räumt Bürgermeister Benedikt Paulowitsch ein. Rückgängig machen ließen sich gefallene Entscheidungen, die größtenteils ja noch auf seinen Vorgänger zurückgingen, nicht, und es mache deswegen auch wenig Sinn, jetzt darüber zu diskutieren. Die 579 000 Euro Mehrkosten seien bereits aus dem Gesamthaushalt gedeckt worden. „Wir müssen uns nur fragen: Was lernen wir daraus für die Zukunft?“

Bei zukünftigen, ähnlich kostspieligen Projekten möchte der Gemeinderat stärker in Entscheidungsprozesse miteingebunden werden, das machen die Bürgervertreter in dieser Sitzung deutlich klar: Vieles hätten sie als Räte gerne früher gewusst. Die Verwaltung möchte deshalb den Bereich Finanzcontrolling verstärken. So soll dem Wunsch des Gemeinderats, frühzeitig über finanzielle Überschreitungen informiert zu werden, nachgekommen werden.

Für zusätzliche Baukosten gibt es triftige Gründe

Zuvor hatte Sachbearbeiter und Tiefbau-Chef Ralf Bulling aus den baulichen Aspekten der Gartenschau in Kernen Bilanz gezogen. Insgesamt seien vom Bauhof 17 Projekte umgesetzt worden: darunter der Ausbau der Klosterstraße, die Umgestaltung des Schlossparks, der Bau der Kugelbahn. „Fürs Bauamt war die Gartenschau eine echte Herausforderung“, stellte Bulling fest. So traten zum Beispiel in der Klosterstraße unvorhergesehene Komplikationen auf: Beim Aufreißen der Straße hatte der Bauhof feststellen müssen, dass Rohre in der Vergangenheit wohl nicht tief genug verlegt worden waren – das musste geändert werden, bevor es mit dem eigentlichen Projekt weitergehen konnte.

Die remstalweite Gartenschau habe aber auch ganz neue, ungeahnte Schwierigkeiten für den Tiefbau mit sich gebracht: „Plötzlich wurde in allen Gemeinden gebaut, die Tiefbau-Preise schossen in die Höhe, auch die Deponiekosten für den Erdaushub waren höher als erwartet“, erklärte der Sachgebietsleiter. 480 500 Euro mehr als vereinbart haben die 17 Projekte verschlungen, in Abstimmung mit der Kämmerei hat die Verwaltung diese Kosten über Rücklagen ausgeglichen.

Das ist schon wieder eine Menge Geld – in Relation gesehen zum gesamten Bau-Budget sind es aber „nur“ knapp 8 Prozent Überschreitung: Akzeptabel, finden die Gemeinderäte. „Die Kugelbahn ist immer noch der Renner“, lobt Hans-Peter Kirgis den Einsatz des Bauamts. Die fertigen Straßen, Grünflächen und Bauwerke sprechen offenbar für sich. „Die Bauprojekte bleiben – die sind nicht nur für ein Jahr gebaut worden“, fasste Paulowitsch zusammen.

War die Gartenschau in Kernen ein Erfolg oder wird sie nun im Nachhinein von den finanziellen Folgen überschattet – auch im Hinblick auf die angespannte Lage infolge der Corona-Krise? Die Antwort dürfte manche überraschen: Trotz der Mehrkosten von mehr als einer Million Euro finden alle: 2019 war ein tolles Jahr. Er sei ursprünglich ein echter Kritiker der Gartenschau gewesen, sagt etwa Hans Dietzel (UFW). Das Gartenschaujahr aber mitzuerleben und zu sehen, was Verwaltung, Ehrenamtliche und der Bauhof alles auf die Beine gestellt hätten, habe ihn endgültig bekehrt. „Gerade wegen Corona ist es schön, dass wir vergangenes Jahr die Gartenschau noch hatten.“

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