Juni 10 2020
Bürgerhaus: So viel zahlt Kernen drauf
Quelle: Waiblinger Kreiszeitung vom 08.06.2020 / Sebastian Striebich
Der 2015 eröffnete Millionenbau erfreut sich immer größerer Beliebtheit, schreibt aber weiter rote Zahlen
Wer glaubt, dass die Gemeinde Kernen an ihrem Bürgerhaus Geld verdient, liegt falsch. Ähnlich wie das Hallenbad, das die Gemeinde inklusive Abschreibung und Verzinsung jährlich rund eine halbe Million Euro kostet, ist das vor fünf Jahren fertiggestellte Bürgerhaus ein Luxus, den sich die Gemeinde leistet. In Verwaltungen spricht man von einem „Zuschussbetrieb“, der mehr kostet, als er einbringt. Im Jahr 2018 betrug die Deckungslücke satte 383 000 Euro, im Gartenschau-Jahr 2019, als durch Veranstaltungen mehr Geld eingenommen wurde, waren es noch immer 357 000 Euro.
Das liegt zunächst einmal an den hohen Baukosten: Das moderne Gebäude mit der Klinkerfassade, das mittlerweile mit einem Architektenpreis ausgezeichnet worden ist, hat die Gemeinde in seiner Entstehung rund zehn Millionen Euro gekostet. Diesen Betrag zahlt Kernen noch ein paar Jahrzehnte lang ab: Jährlich werden rund 260 000 Euro an die Bank überwiesen. Hinzu kommen dann die laufenden Kosten: Wasser, Strom, Personalkosten, kleinere Reparaturen und vieles mehr …Fast 300 Veranstaltungen im Jahr 2019Die Einnahmen, die über das Bürgerhaus generiert werden, können diese Ausgaben nicht decken. Daran ändert auch nichts, dass die Gemeinde im vergangenen Jahr mehr eingenommen hat als noch 2018 und das Haus von Jahr zu Jahr besser angenommen wird. Das geht aus einem aktuellen Bericht der Verwaltung an den Gemeinderat hervor.
Demnach haben im Bürgerhaus im Jahr 2019 fast 300 Veranstaltungen stattgefunden, eine Steigerung von zwölf Prozent zum Vorjahr. Die Einnahmen aus Vermietungen an Vereine, Verbände und Organisationen sowie Firmen und Privatpersonen beliefen sich im Jahr 2019 auf rund 56 000 Euro. Zu den 52 000 Euro im Jahr 2018 ist das eine Steigerung um rund acht Prozent.
Aus der Vermietung an die Gemeinde selbst für den kommunalen Sitzungsdienst, Eigenveranstaltungen wie Kabarett- und Musikveranstaltungen oder Seniorennachmittage und Kurse der Musik- und Volkshochschule hat die Gemeinde 2018 rund 32 000 Euro erlöst. Im Remstal-Gartenschau-Jahr steigerte sich dieser Betrag um 63 Prozent auf 52 000 Euro, wobei rund 10 000 Euro im Rahmen der Gartenschau generiert wurden.
Lässt man die festen Abschreibungen von rund 260 000 Euro außen vor, beträgt die Deckungslücke also immer noch rund 100 000 Euro. Die Frage, ob Kernen sich das leisten will, stand zwar auch in der jüngsten Sitzung des Gemeinderats im Raum – doch eigentlich haben die Verantwortlichen sie längst beantwortet: Ja. Schon der damalige Bürgermeister Stefan Altenberger hatte vor dem Bau des Millionenprojekts einen jährlichen Abmangel von bis zu 150 000 Euro angekündigt, erinnern sich die Räte. Dass die Gemeinde an der Veranstaltungsstätte nicht reich werden würde, war also allen bewusst. Die Entscheidung von damals wird deshalb nicht infrage gestellt.
Um es mit den Worten von Sabine Payer-Herkommer zu sagen, die seit Eröffnung für das Bürgerhaus verantwortlich war: „Kultur kostet.“ Payer-Herkommer wird sich im Rathaus in Zukunft um die Gemeindeentwicklung kümmern, ihre Nachfolgerin im Bürgerhaus ist Daniela Callenius. Auch sie wird es nicht schaffen, dass das Bürgerhaus schwarze Zahlen schreibt. Allerdings wird sie ein neues Konzept für die Kernener Veranstaltungsstätten erarbeiten. Dabei gilt: Will die Gemeinde mehr einnehmen, muss das Bürgerhaus noch besser ausgelastet werden. Dabei hat Callenius nicht nur mit der überschaubaren Personalstärke im Bürgerhaus (ein Hausmeister, zwei Reinigungskräfte), sondern auch mit dessen begrenzten Kapazitäten zu kämpfen. Mit der Schwabenlandhalle (Fellbach) und dem Bürgerzentrum (Waiblingen) kann der große Saal des Bürgerhauses mit seinen maximal 470 Plätzen nicht mithalten.
Deshalb sollen auch neue Nutzer angesprochen werden, zum Beispiel Firmen aus der Region, die hier Tagungen abhalten könnten. Und vermutlich wird die Gemeinde bei den Gebühren anziehen: „Wir müssen marktgerechte Preise aufrufen“, sagte Bürgermeister Benedikt Paulowitsch in der jüngsten Sitzung des Gemeinderats.
Da läuteten natürlich die Alarmglocken beim Bürgervertreter und vielfachen Vereinsfunktionär Ebbe Kögel, der sich sowieso seit geraumer Zeit über zu deftige Mieten für ortsansässige Vereine beklagt. Seine Meldung wiederum brachte ihm neben der Beteuerung Paulowitschs, er denke an der Stelle nicht an die Vereine, sondern an Veranstalter von außerhalb, den sarkastischen Kommentar von CDU-Fraktionschef Andreas Wersch ein. Dieser erinnerte daran, dass die Gebühren für Vereine schon deutlich reduziert worden seien: „Irgendwann kriegt man noch was, wenn man das Bürgerhaus mietet.“ Kultur kostet. Aber das ginge dann sogar den Kernenern zu weit.