Mai 05 2020

Debatte um Bewässerung von Biotop

Veröffentlicht von um 07:03 unter Pressespiegel

Quelle: Waiblinger Kreiszeitung vom 04.05.2020 / Laura Steinke

Weil die Tümpel in den Stettener Seewiesen austrocknen, werden sie künstlich nass gehalten – das gefällt nicht allen

Ein Kleinod, das Einblicke in die Flora und Fauna eines ökologischen Lebensraumes bietet – so ist das Biotop „Seewiesen“ auf der Internetseite der Gemeinde Kernen beschrieben. Die Meinungen, wie natürlich dieses Biotop an der Frauenländerstraße allerdings ist, gehen auseinander. Jüngst mussten die Seewiesen wieder einmal von Menschenhand bewässert werden, da sie ausgetrocknet waren. Das gab Anlass, eine alte Diskussion neu aufzurollen.

Die Feuerwehr Kernen befüllte die Tümpel auf den Seewiesen kürzlich zum zweiten Mal in diesem Jahr mit Wasser. „Einmal im Jahr machen wir das sowieso“, sagt Kommandant Andreas Wersch. Durch den trockenen Winter und die vergangenen Wochen ohne Regen und mit viel Sonne waren die meisten Tümpel ausgetrocknet. Von anderen seien nur noch Pfützen übrig gewesen. Es habe Gefahr bestanden, dass dort Frösche und andere Tiere verenden.

Das hatte zwei Mädchen aus Stetten, Natalia und Leni, dazu bewegt, zwei Nachmittage lang mit Plastikeimern, Wasser vom nahe gelegenen Haldenbach zu schöpfen und damit die Tümpel im Biotop zu füllen. Sie versuchten auch, die Kaulquappen in tiefere Tümpel umzusiedeln. Bis die Mutter eines der Mädchen eine E-Mail an Bürgermeister Benedikt Paulowitsch schickte. Sie bat darum, dass die Feuerwehr das Biotop bewässere und somit das Anliegen der Mädchen unterstütze. Und das geschah dann auch.

90 000 Liter vom Haldenbach ins Biotop gepumpt

Drei Stunden lang liefen die Pumpen der Feuerwehr. Über Schläuche leiteten die Kameraden rund 90 000 Liter Wasser aus dem Haldenbach auf die Seewiesen. Dem Bach mache der Wasserverlust nichts aus, so Wersch. Da komme immer was nach.

Als Bürgermeister Benedikt Paulowitsch auf Facebook von dem Einsatz der Feuerwehrleute berichtete, tat Christof Leibbrand, der zur Zeit der Entscheidung über das Biotop vor fünf Jahren für die Offene Grüne Liste im Gemeinderat saß, seinen Widerwillen gegen das Projekt kund: Es handle sich an dieser Stelle um kein Feuchtgebiet, welches geeignet wäre, ein Feuchtbiotop zu errichten. „Deswegen hatte auch die OGL vehement gegen die Erstellung dieses Biotops argumentiert und auch gegen die Errichtung gestimmt.“

Der jetzige OGL-Fraktionsvorsitzende Matthias Kramer sieht die Sache nüchtern. Seine Gefühle kochen bei dem Thema nicht mehr hoch, sagt er. „Damals haben wir gesagt: Wir brauchen jetzt nicht viel Geld in die Hand zu nehmen, denn Natur reicht so wie sie ist“, so Kramer. Die Modellierung sei okay geworden, sagt er, aber: „Ein Biotop, das man auffüllen muss, ist eben kein natürliches Biotop.“ Bis jetzt sei es für die Stettener Seewiesen normal gewesen, dass sie im Sommer aufgefüllt werden müssen – und noch nicht im April. Kramers Kommentar: „Klimawandel lässt grüßen.“

Andreas Wersch, der als CDU-Fraktionsvorsitzender im Kernener Gemeinderat sitzt, setzt sich für die Berechtigung des Biotops ein. „Das waren immer feuchte Wiesen, da konnte man nie was Vernünftiges mit anfangen, weil sie ständig unter Wasser standen“, sagt er. „Jetzt können Eltern ihren Kindern hier die Natur erklären.“

Um das zu erreichen, stellte die CDU einen Antrag auf die Renaturierung der Fläche. Der Gemeinderat stimmte im Februar 2015 dagegen, im Oktober desselben Jahres dann aber dafür. Für 53 500 Euro wurde das Biotop mit einem Steg und einer Plattform für Besucher und Infotafeln ausgestattet. Im Mai 2018 wurde es feierlich eröffnet.

Das Biotop werde von Familien gut angenommen, sagt Wersch. Kein Wunder, denn dort gibt es Ringelnattern, Blindschleichen, Echsen, Frösche und Kröten zu entdecken. Wie bei Ausflugszielen oft der Fall, liege aber ab und zu Müll herum, sagt Wersch. Den habe die Feuerwehr bei der Bewässerung auch gleich mitgenommen. Dass das Biotop verschmutzt werde, war in der damaligen Diskussion auch eine Befürchtung der OGL gewesen. „Das ist auch berechtigt, und ich sehe es genauso, dass das ein Ärgernis ist“, sagt Wersch.

Bauamt behebt Fehler: Wasser soll nun länger in den Tümpeln bleiben

Weil bei der Modellierung des Gebiets ein Fehler gemacht wurde, sagt Wersch, trocknen die Tümpel nun schnell aus. Ein Überlauf wurde damals so angelegt, dass der anliegende Feldweg bei einer Überschwemmung des Haldenbachs und damit des Biotops begehbar bleibt, heißt es von der Gemeinde Kernen. „Nun läuft das Biotop halt leer“, bemängelt Wersch. Um das zukünftig zu vermeiden, hat das Bauamt kürzlich einige der Tümpel vertieft – dort, wo es ökologisch vertretbar war, sagt Susanne Herrmann, Pressesprecherin der Gemeinde Kernen. Außerdem sei der Überlauf erschwert worden. „Beides soll unterstützen, dass bei Regen das Hangabzugswasser etwas länger in den Mulden stehenbleibt“, sagt Herrmann.

In einer Pressemitteilung teilte das Landratsamt vor kurzem mit, dass die Wasserentnahme mit einer Pumpe nur mit einer wasserrechtlichen Erlaubnis gestattet ist (wir berichteten). „Es gibt aber Ausnahmefälle, in denen Wasserentnahmen unter bestimmten Voraussetzungen ohne wasserrechtliche Erlaubnis möglich sind“, berichtet Leonie Ries, Pressesprecherin des Landratsamts, auf Nachfrage. Das sind zum Beispiel die Gefahrenabwehr und Übungen zur Gefahrenabwehr. Da im Seewiesenbiotop Kaulquappen leben, die auszutrocknen drohten, sei der Einsatz erlaubt gewesen. Das Amt für Umweltschutz sei außerdem darüber informiert worden.

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