Feb. 17 2020
Großer Bedarf an Sprachförderung
Quelle: Fellbacher Zeitung v. 12.02.2020 / Michael Käfer
Jedes dritte Kindergartenkind im Ort wird unterstützt, erfahren Gemeinderäte – und sind überrascht
Die Bedeutung von ausreichenden Deutschkenntnissen kann nicht hoch genug geschätzt werden. „Sprache ist der Schlüssel für Bildungsbeteiligung und somit auch ein Schlüssel zur gesellschaftlichen Teilhabe“, sagte Annette Reich anlässlich ihres Sachstandsberichts zur Situation der Sprachförderung an die Mitglieder des Verwaltungsausschusses gewandt. Wie groß die Nachfrage in Kernen ist, belegte die als Mentorin für die Sprachförderung bei der Gemeinde Kernen angestellte Religions- und Heilpädagogin mit eindrucksvollen Zahlen.
Von den 550 Kindern in Kernens Kindergärten nehmen 129, also 23,5 Prozent, an den im Kleingruppenrahmen stattfindenden Fördermaßnahmen teil. Zusätzlich gibt es in den Kindergärten fünf Gruppen mit zusammen 38 Kindern, die beim Programm Singen-Bewegen-Sprechen mitmachen. Letzteres wird vom Land Baden-Württemberg mit 11 000 Euro gefördert und findet in Kooperation mit der Musikschule statt. In Summe nehmen also rund 30 Prozent der örtlichen Kindergartenkinder an einer Sprachförderung teil. „Ich bin erschrocken, wie viele das sind“, sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende Hans-Peter Kirgis.
Sein CDU-Amtskollege Andreas Wersch, der als stellvertretender Schulleiter der Fellbacher Auberlen-Realschule die Situation aus eigener Erfahrung kennt, betonte, dass sprachliche Defizite „nicht nur etwas mit Migrationshintergrund zu tun“ haben. Dieser Einschätzung stimmte auch Annette Reich zu, die feststellte, dass auch eine zunehmende Anzahl von Kindern aus deutschen Familien Probleme mit der Sprache hätten.
Bei geflüchteten Kindern stünden „Schnell-Lernern“ Kinder gegenüber, die große Probleme beim Spracherwerb haben. „Das hat oft auch mit dem Bildungsniveau der Eltern zu tun“, sagte Annette Reich. Nach Einschätzung der 50-jährigen Expertin ist die Situation bei Schulkindern noch schwieriger. Flüchtlingskindern mit Sprachkenntnissen – aber ohne schulische Vorbildung – mache oft der Altersunterschied zu ihren Klassenkameraden zu schaffen.
Für Schüler mit nur geringen Deutschkenntnissen wiederum gibt es in der Stettener Karl-Mauch-Schule eine Klasse, die auf den Regelunterricht vorbereiten soll. Insgesamt sind in Kernen neben Annette Reich als Sprachfördermentorin sechs Sprachförderkräfte aktiv. Zwei davon stammen aus dem Programm Hausaufgaben-, Sprach- und Lernhilfen (HSL), das vom Landes-Kultusministerium mit 4900 Euro bezuschusst wird. Saldiert um Zuschüsse gibt die Gemeinde Kernen 56 800 Euro für die Sprachförderung aus.
Dem in Kleingruppen stattfindenden Unterricht steht die individuelle Unterstützung durch Sprachpaten des „Roten Fadens“ gegenüber. Dessen Ehrenamtliche engagieren sich zudem als Lernbegleiter. „Ich finde es sehr gut, wie es hier läuft“, sagte der UFW-Fraktionsvorsitzende Hans Dietzel zur Situation der Sprachförderung in Kernen. Der Ansicht von Annette Reich, dass sich die Lage positiv entwickelt habe, schlossen sich Vertreter aller Fraktionen an.