Mai 17 2019

Was Greta Thunberg auch zu Kernen sagt

Veröffentlicht von um 17:25 unter Pressespiegel

Quelle: Fellbacher Zweitung vom 11.05.2019 / Hans-Dieter Wolz

Neben der Umweltproblematik bekümmert die Fraktionen im Gemeinderat die grassierende Wohnungsnot. Umstritten ist weiterhin die Höhe der Sozialquote für den Wohnungsbau im Gebiet Hangweide

Jung-Klimaschützerin und Freitags-Schulstreikerin Greta Thunberg aus Schweden hat ihre Fans im Gemeinderat Kernen. Einen der flammenden Appelle der 16-Jährigen an die Erwachsenen, umzusteuern anstatt die Lebensgrundlagen der kommenden Generation durch den Verlust der Artenvielfalt und durch die drohende Klimakatastrophe zu durchlöchern, verlas der Fraktionsvorsitzende der OGL, Matthias Kramer, am Beginn seiner Haushaltsrede. Auch seinerseits verlangte der Vormann der Offenen Grünen Liste viel mehr Konsequenz beim Umweltschutz. „Auch bei uns laufen genau die Mechanismen ab, die Greta meint: Ausflüchte, Verdrängung, Beschwichtigung, Angst vor unpopulären Entscheidungen, Tatenlosigkeit. Man verschließt die Augen, wenn es um das Thema Umwelt- und Artenschutz oder Klimawandel geht“, sagte Kramer und rechnete den Ratskollegen vor, dass sie von 13 Umweltschutzanträgen aus seiner Fraktion gerade drei passieren ließen.

Tatsächlich hob keine andere Fraktion Themen wie ein Verbot insektenvernichtender Gifte auf gemeindeeigenen Flächen oder den Bezug von Ökostrom durch die Gemeindeverwaltung und andere Vorschläge so prominent in den Vordergrund wie die OGL, auch wenn der Umweltschutz in der Rede von Andreas Wersch (CDU) immerhin noch ein ganzes Kapital ausmachte. Aber auch Bettina Futschik vom Parteifreien Bündnis (PFB) griff Forderungen von Greta Thunberg auf, verlangte Klimaneutralität bei der Energieversorgung, beim Bauen und in allen städtischen Gebäuden.

Einhellig zeigten sich die Fraktionsvorsitzenden aber bekümmert über die grassierende Wohnungsnot und die Flut des Autoverkehrs durch Kernen – mit unterschiedlichen Vorstößen. Hans Dietzel und UFW-Fraktion setzen sich dafür ein, die Bürger zu entlasten, wenn die Reform der Grundsteuer die Bürger im Großraum Stuttgart, wie befürchtet, stärker belasten wird: „Hier kann der Gemeinderat eingreifen und durch die Festsetzung der Hebesätze für ein Grundsteueraufkommen sorgen, das sich in ähnlicher Höhe wie vor der Reform bewegt.“ Die SPD-Fraktion setzt eine andere Priorität: Mit dem Kauf der Hangweide sieht deren Fraktionschef Hans Peter Kirgis die einmalige Chance für die Gemeinde, einen großen Beitrag zur Linderung der Wohnungsnot zu leisten, ausdrücklich auch mit Wohnraum für Menschen mit niedrigem Einkommen: „Wir werden unser Ziel nach einer Sozialquote von 25 Prozent weiter verfolgen und hoffen auf Unterstützung aus den anderen Fraktionen des Gemeinderats.“ Dies gilt für die SPD ausdrücklich auch, nachdem der Kaufpreis für die ehemalige Behindertensiedlung deutlich teurer geworden ist als erwartet. Die CDU hält diese Quote für unrealistisch. Von den mit der Feststellung eines Kaufpreises beauftragten Gutachtern sind 17,5 Prozent für sozialen Wohnungsbau eingerechnet worden. „Alles darüber hinaus, so die Worte unseres Bürgermeisters, macht das Projekt schnell unrentabel. Eine soziale Quote von 25 bis 30 Prozent, die auch von uns in anderen Baugebieten durchaus als sinnvoll und notwendig erachtet wird, ist daher auf der Hangweide utopisch.“ Außer Benjamin Treiber hat die CDU mehrheitlich gegen den Kauf des künftigen Baugebiets wegen der finanziellen Risiken gestimmt. „Dass wir möglichst nicht draufzahlen wollen, weil wir uns dem Steuerzahler verpflichtet fühlen, versteht sich von selbst“, sagte Wersch.

Noch „Luft nach oben“ sieht bei der genannten Sozialquote von 17,5 Prozent übrigens auch die OGL. Matthias Kramer forderte auch, einen Teil der künftigen Wohnungen in der Hangweide in kommunaler Hand zu behalten oder sich wenigstens Belegungsrechte zu sichern. Die OGL möchte genossenschaftliches und gemeinschaftliches Bauen unterstützen. Das sehen auch die UFW so: „Kommunale Wohnungen, Bauträger, Baugemeinschaften, Baugenossenschaften und private Wohnungen, über alles muss diskutiert werden“, sagte Hans Dietzel.

SPD und UFW fordern auch, zügig bevor die Bevölkerung durch das Wohngebiet Hangweide und andere Vorhaben deutlich wächst, weitere Betreuungsplätze für Kinder und weitere Klassenzimmer in der Haldenschule zu schaffen. Für Letzteres ist laut Hans Peter Kirgis eine Machbarkeitsstudie bereits angelaufen.

Haushaltsplan und Haushaltsdebatte

Haushaltssatzung

Der Haushaltsplan für das Jahr 2019 in der Gemeinde Kernen ist am Donnerstag im Rat der Gemeinde beschlossen worden. Nur PFB-Gemeinderat Eberhard Kögel lehnte ihn ab, während drei weitere Bürgervertreter sich enthielten. Der Haushaltsplan umfasst im Ergebnishaushalt ordentliche Erträge und ordentliche Aufwendungen jeweils in Höhe von etwa 38 Millionen Euro. Die Investitionen betragen etwa 17 Millionen Euro. Der Haushaltsplan ist schuldenfrei. Kreditaufnahmen sind weiterhin nicht vorgesehen. Der Haushaltsplan ist der erste in Kernen, der nach dem neuen kommunalen Haushalts- und Rechnungswesen erstellt worden ist.

Problemfeld Verkehr

Der zunehmende Autoverkehr in Kernen mit den Begleiterscheinungen Staus, Lärm und Gestank wächst sich zu einem der lokal brennendsten Probleme aus. Nichts könnte dies besser illustrieren, als die bemerkenswerte Einigkeit in der Haushaltsdebatte zu diesem Thema: Nicht nur Bettina Futschik vom Parteifreien Bündnis (PFB) fordert, dass der Autoverkehr im Ort abgebaut wird und stattdessen die Fahrpläne des öffentlichen Nahverkehrs besser aufeinander abgestimmt werden. Hans Peter Kirgis von der SPD-Fraktion formuliert als Ziel einer solchen Fahrplankoordination ebenfalls, auf das eigene Auto zu verzichten. Nicht nur die OGL hat einen Vorstoß für ein vergünstigtes Bustagesticket in Kernen eingebracht, sondern auch die CDU. Und auch die UFW sehen laut ihrem Fraktionsvorsitzenden Hans Dietzel einen Lösungsansatz darin, Anreize zu schaffen, das eigene Auto stehenzulassen. Allerdings sind sich die Bürgervertreter in Kernen auch darin einig, dass die eigene Zuständigkeit nicht weit reicht und regionale Lösungen, etwa für den Schwerverkehr, anzustreben sind. Wie die aussehen sollen, bleibt offen.

Wiederkehr einer Umfahrung

Über eine Erschließungsstraße über das Schmidener Feld, die kürzlich aus dem Flächennutzungsplan gestrichen worden ist, „muss in der Zukunft wieder diskutiert werden dürfen, wenn wir die Sorgen der Bürger in Sachen Verkehrsbelästigung im Ortsteil Rommelshausen ernst nehmen“, sagt Andreas Wersch (CDU). Die Straße könnte die Fellbacher und Waiblinger Straße von Lastwagen teilweise befreien, verbraucht aber beste Ackerböden.

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