Mai 02 2019

Absage für letzte Ruhe unter Reben

Veröffentlicht von um 06:30 unter Pressespiegel

02Quelle: Waiblinger Kreiszeitung vom 20.04.2019 / Sebastian Striebich

Die CDU-Fraktion kann für ihre Idee eines Friedweinbergs in Stetten keine Mehrheit begeistern

Begraben unter Weinreben – wo fände die Seele eines dahingeschiedenen Weinliebhabers oder Wengerters wohl besser ihre letzte Ruhe? Die CDU

hat bei ihren Anträgen zum Kernener Haushalt einen Friedweinberg als neue Bestattungsform ins Spiel gebracht. Doch die Verwaltung wird sich vorerst nicht weiter damit befassen.

„Eine blühende Fantasie“ bescheinigte Walter Zimmer (CDU) seinem Gegenüber Ebbe Kögel (PFB) in der Glockenkelter. Das war in der jüngsten Gemeinderatssitzung vergangene Woche, als das Gremium die Haushaltsanträge der Fraktionen diskutierte. Kögel hatte Bedenken zur Idee der CDU geäußert, einen Friedweinberg beim Neuen Friedhof in Stetten zu errichten: Ob es nicht pietätlos sei, den Wein eines tiefwurzelnden Rieslings zu trinken, wenn doch unter den Trauben Menschen begraben lägen? Wengerter Walter Zimmer erklärte geduldig: „Es gibt keine Frucht, keinen Ertrag, keinen Herbst. Die Rebe ist symbolisch. Eigentlich ist es nichts anderes als ein Friedwald.“ Sprich: Es würde kein Friedhofswein gekeltert. Die Trauben würden abgeerntet, bevor sie reif wären.

200 000 Euro sind zu viel

Die Betonung liegt auf dem Konjunktiv: „würden“ und „wären“. Denn einen Friedweinberg wird es in Kernen vorerst nicht geben. Der Antrag wurde mehrheitlich abgelehnt (den fünf CDU-Stimmen standen zehn Gegenstimmen und drei Enthaltungen entgegen).

Im CDU-Antrag hatte es geheißen: „Friedwälder und ähnliche letzte Ruhestätten erfreuen sich immer größerer Beliebtheit gegenüber herkömmlichen Bestattungsformen und auch gegenüber oftmals unwirtlichen Urnenwänden.“ Dass der Gemeinderat den Weinberg als letzte Ruhestätte dennoch ablehnte, lag vor allem an den Kosten, die eine Recherche der Kernener Verwaltung ans Licht befördert hatte: Laut Auskunft der Gemeinde Nordheim am Main (Bayern), die ihren Friedweinberg im Dezember 2019 eröffnet hat, kostete die Umgestaltung des ausgemusterten Weinbergs stolze 200 000 Euro.

Hinzu kämen die Folgekosten und der Mehraufwand für den Bauhof oder einen externen Dienstleister, heißt es in der Stellungnahme des Kernener Rathauses. Schließlich müssten die Reben fachmännisch geschnitten und das Areal entsprechend gepflegt werden. Flächennutzungsplan und Bebauungsplan müssten ebenfalls geändert werden. Und, betonte Bürgermeister Stefan Altenberger in der Sitzung: Die Kosten würden auf die Friedhofsgebühren umgelegt – „irgendwie muss das Sterben auch bezahlbar bleiben“. Überdies würden auf den Kernener Friedhöfen aktuell neue Bestattungsformen insbesondere für Urnengrabstellen geschaffen. Das vielfältige Angebot decke den Bedarf bis 2030.

Anmerkung/Nachtrag in eigener Sache:

Es handelte sich beim Antrag der CDU-Fraktion um einen sogen. „Prüfantrag“. Die Verwaltung wurde beauftragt, weitere Sachinformationen einzuholen und zu berichten. Erst danach soll eine Diskussion im Gemeinderat erfolgen.

Hier der Antrag der CDU Gemeinderatsfraktion im Wortlaut. Machen Sie sich selbst ein Bild:

Prüfauftrag: Errichtung eines „Friedweinbergs“

Antrag

Die Verwaltung wird beauftragt, dem gelungenen Beispiel anderer Kommunen folgend, als neue Bestattungsform die Errichtung eines sogen. „Friedweinbergs“ zu prüfen. Dem Gemeinderat ist hierüber zu berichten, die notwendigen Kosten für einen „Friedweinberg“ sind vorab zu ermitteln. Hiernach kann eine Diskussion im Gemeinderat erfolgen.  Die für die Planungen erforderlichen Mittel sind von der Verwaltung zu beziffern und in den Planentwurf einzustellen.

Begründung

Friedwälder und ähnliche letzte Ruhestätten erfreuen sich immer größerer Beliebtheit gegenüber herkömmlichen Bestattungsformen und auch gegenüber oftmals unwirtlichen Urnenwänden. Gemeinden wie beispielsweise Ahrweiler (Rheinland-Pfalz) oder Nordheim (Franken) haben nun unter großer medialer Beachtung sogen. „Friedweinberge“ eingerichtet. Diese erfreuen sich inzwischen einer großen Nachfrage.

Dabei handelt es sich um einen aufgelassenen Weinberg, der für den Weinbau nicht mehr genutzt wird und entsprechend umgestaltet und neu bepflanzt werden muss. An einen Ertrag der Reben ist nicht gedacht – es erfolgt eine sogen. „Grünlese“. Einen „Friedhofswein“, wie er von mancher Seite kritisch ins Feld gebracht wird, soll und wird es also nicht geben.

Natürlich ist uns bewusst, dass solches „Neuland“ sehr kritisch gesehen und zu kontroversen Diskussionen führen wird. Auch wir als CDU Gemeinderatsfraktion sind uns noch nicht einig, haben noch keinen wirklichen Standort ins Auge gefasst und wissen nicht, ob es einen geeigneten Platz in unserer Gemeinde überhaupt gibt. In einer Weinbaugemeinde wie der unseren sollte diese neue Form der Bestattung aber zumindest frühzeitig in die Diskussion gebracht werden.

Kernen i.R., 21.03.2019
Andreas Wersch
Fraktionsvorsitzender

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