Jun 02 2016
Wählen die Räte doch den höchsten Damm?
Nach Katastrophen in Gmünd und anderswo steht das Rückhaltebecken am Krebenweg in Stetten im Fokus
Die Hochwasserkatastrophe in Schwäbisch Gmünd, in Braunsbach und anderswo habe auch ihn nachdenklich gemacht, gesteht der Beigeordnete und Bauamtsleiter Horst Schaal. Die dort über die Ufer getretenen Bäche und überschwemmten Straßen haben, so gesehen, Auswirkungen bis nach Kernen gehabt. Denn der geplante Beschluss über das neue Rückhaltebecken am Krebenweg in Stetten mit einem höheren Damm, den der Gemeinderat Kernen am 16. Juni fällen soll, steht nun unter anderen Vorzeichen als bisher. Der Stellvertreter des Bürgermeisters sagt auf Anfrage, er würde sich nicht dagegen stemmen, wenn die Räte unter dem Eindruck der unvorhergesehenen Ereignisse umdenken und doch noch für eine höhere Dammvariante in Stetten votieren.
Zahlreiche Bürgervertreter in Kernen haben lange gegenteilig gedacht und sich sogar dagegen gewehrt, den vorhandenen, aber maroden Damm zum Schutz Stettens vor Hochwasser bei der fälligen Sanierung zu erhöhen. Sie befürchteten, dass der damals diskutierte neun Meter hohe Damm und das zugehörige, mindestens ebenso hohe Auslassbauwerk aus Beton die extensiv genutzte Landschaft im Haldenbachtal verschandelt.
Zuletzt schien das höchste Gremium Kernens allerdings bereit, dem Drängen von Bürgermeister Stefan Altenberger nachzugeben. Der Schultes fühlt sich dem Hochwasserschutz verpflichtet und konnte sich auf ein Gutachten berufen, das mindestens ein Rückhaltevolumen von 80 000 Kubikmeter Wasser fordert, um die Stettener Ortslagen am Bach vor einem rechnerisch einmal in hundert Jahren vorkommenden Hochwasser (HQ 100) zu schützen. Außerdem sind zahlreiche Stettener überflutungsgefährdete Grundstücke am Bach neuerdings von einem grundsätzlichen Bauverbot betroffen, was die Räte zum Handeln drängt. Seit sich herausstellte, dass der Damm in der überströmbaren Variante nur um 1,60 Meter gegenüber dem derzeitigen Stand erhöht werden muss, schien eine Ratsmehrheit in Aussicht zu stehen. Der CDU-Fraktionsvorsitzende und Feuerwehrkommandant Andreas Wersch bestätigt auf Anfrage, dass er und seine ebenfalls kritisch eingestellten Mitstreiter den Vorschlag mittragen würden.
Es gibt allerdings noch eine weitergehende Variante, die, so glaubt Schaal, aus heutiger Sicht am 12. Juni von Gemeinderäten nochmals in Spiel gebracht werden könnte. Der Gutachter aus dem Büro Winkler und Partner hatte nämlich empfohlen, dem vorgeschriebenen Schutz gegen ein einmal im Jahrhundert erwartetes Hochwasser noch einen Klimazuschlag zu geben (HQ100+). Dazu wäre ein Rückhaltevolumen von 120 000 Kubikmeter Wasser nötig. Dieser statt um 1,60 Meter um 2,60 Meter gegenüber dem gegenwärtigen Zustand zu erhöhende Damm sollte einkalkulieren, dass örtliche Starkregen und Hochwassersituationen durch die Klimaerwärmung in Zukunft deutlich häufiger und niederschlagsreicher als bisher gewohnt ausfallen können. Dieser Vorschlag ist bisher im Gemeinderat zurückgewiesen worden, obwohl er kaum teurer wäre und ihn die Landesregierung ebenfalls mit Zuschüssen fördert. 70 Prozent der erwarteten Kosten von etwa vier Millionen Euro stellen Landesministerien in Aussicht.
Egal wie das Votum am 16. Juni ausfällt: Weil der Hartwiesenbach, oft Hardtwiesenbach geschrieben, die Grüntorstraße bei Starkregen überschwemmt, wird das Einlaufbauwerk zur Dole ertüchtigt.
Hochwassergefahr in Stetten
Haldenbach
Wegen seines großen Einzugsgebiets von fast neun Quadratkilometern bis weit in den Kreis Esslingen hinein, gilt der Haldenbach als überflutungsgefährdet, auch im Bereich von Stetten.
Rückhaltebecken Krebenweg
Der Damm am Krebenweg für das Hochwasserrückhaltebecken zum Schutz von Stetten ist bereits in den 50er Jahren errichtet worden.
Überflutungen
Trotzdem trat der Haldenbach 1978 über die Ufer und überschwemmte Teile des Orts mit hohem Sachschaden. 1995 wurde der Damm, nachdem das Becken vollgelaufen und er überflutet worden war, instandgesetzt und um einen Meter erhöht.
Zuflüsse
Bei einem rechnerisch alle zehn Jahre zu erwartenden Hochwasser wird ein Zufluss von 6,1 Kubikmeter pro Sekunde erwartet. Ein alle 100 Jahre auftretendes schweres Hochwasser soll laut den Berechnungen 14,9 Kubikmeter Wasser pro Sekunde nach Stetten schleppen. Bei einem Klimazuschlag richtet sich der Gutachter auf 17,7 Kubikmeter Wasser pro Sekunde ein.
Bauverbote
Teile von bebautem Gebiet in Stetten sind in der Hochwassergefahrenkarte aufgeführt. Mit der Auslegung im Januar ist diese rechtskräftig geworden. In den Überschwemmungsgebieten für ein hundertjähriges Hochwasser ist das Bauen grundsätzlich untersagt und nur nach Einzelfallprüfung möglich.
Quelle: Fellbacher Zeitung vom 01.06.2016 / Text: Hans-Dieter Wolz