Jun 23 2016

Gemeinderat will den kleinen Damm

Veröffentlicht von um 13:11 unter Pressespiegel

Mehrheit entscheidet sich für eine Erhöhung am Stettener Krebenweg um 1,60 Meter/ Betroffen sind 250 Grundstücke

Ein Restrisiko fürs TV-Gelände und angrenzende Gebäude bleibt. Doch der vom Gemeinderat jetzt beschlossene 3,9 Millionen Euro teure überströmende Damm, gut 20 Meter südlich des Krebenwegs, wird Überschwemmungen der Stettener Wohnbebauung bei einem sogenannten Jahrhunderthochwasser (HQ 100) verhindern. Das neue Einlaufbauwerk des Hardtwiesenbachs trägt seinen Teil mit dazu bei.


Im Kernener Gemeinderat ist das Vorhaben umstritten. Die hohen Kosten von knapp vier Millionen Euro, der landschaftsschädliche Eingriff ins Haldenbachtal durch seine ursprünglich jetzt auf 1,60 Meter reduzierte Dammkrone und die strittige Frage nach der Effizienz des auf 80 000 Kubikmeter ausgelegten Hochwasserrückhaltebeckens lassen Gemeinderäte zweifeln. Volker Borck (CDU) missfällt zum einen, dass das optisch erfreuliche Absenken der Dammkronenerhöhung von ehedem vier auf 1,60 Meter „sich monetär nicht auszahlt“, sprich das Projekt nicht verbilligt. Zudem werde das Hochwasser aus anderen Quellen kommen, sprich aus dem Hartwiesenbach. „Wir haben dieses Hochwasser in den letzten 30 Jahren nicht gehabt. Ich weiß nicht, ob wir den Damm so elementar brauchen.“ Fünf Ratsmitglieder, darunter Borck, stimmten, was die Dammerhöhung und das neue Durchlassbauwerk am Haldenbach angeht, mit Nein. 13 Ja-Stimmen sorgten bei einer Enthaltung für eine Mehrheit.

Das Hochwasserschutzkonzept für Stetten beinhaltet aber sowohl den Neubau des Rückhaltebeckens Krebenweg als auch weitergehende punktuelle bzw. abschnittsweise Ausbaumaßnahmen am Hardtwiesenbach und am Haldenbach. Ein wichtiger Baustein ist der Umbau des Dole-Einlaufs am Hardtwiesenbach, der im kommenden Jahr erneuert werden soll.

Winkler: Chance, Überflutungen im Oberdorf wegzubekommen

Dipl.-Ing. Erhard Winkler, Chef des von Kernen beauftragen Stuttgarter Ingenieurbüros Winkler und Partner, hält den Neubau, der auf ein HQ-100-Hochwasser ausgelegt ist, für „die Chance, die Überflutungsflächen am Haldenbach bis zur Einmündung Hardtwiesenbach praktisch wegzubekommen“. Von den knapp vier Millionen Euro Bruttobaukosten, freilich ohne Grunderwerb, übernimmt das Land 70 Prozent. Christoph Schönleber (SPD), der vor kurzem noch für ein fast eine halbe Million teureres und ein Meter höheres Bauwerk geworben hatte, das einen Zuschlag von 40 000 Kubikmetern im Falle weiteren Klimawandels mit einschließt, kann sich auch mit dieser verträglicheren Variante anfreunden. „Statt vier Meter sind es jetzt nur noch 1,60 Meter, das ist sanft, weniger schlimm. Eine Sanierung ist sowieso erforderlich und das unsägliche Rohr kommt weg“. Der SPD-Mann betrachtet es als Fortschritt, dass die Quellen der Diakonie wie auch die alte Mülldeponie abgedichtet würden.

Umstritten zwischen Experte Erhard Winkler und Gemeinderat Ebbe Kögel (PFB) ist das Thema Hochwasserursachen. Kögel sagte, auf ein früheres Statement Winklers zu Stettener Konzentrationsflächen für Starkregen anspielend: „Der Regen wird auch nicht dort hinfallen, wie Sie es gerne hätten, nämlich am hinteren Haldenbach. Sie behaupten, die Gefahr kommt von da hinten, darum geht’s.“ Die Ursachen für Hochwasser lägen zudem nicht oben, sondern unten: in der Versiegelung bebauter Flächen. Das Einzugsgebiet des Haldenbachs sei jedoch hauptsächlich verdichteter Waldboden, der große Wassermengen aufnehmen könne und sie wieder abgebe.

Kögel: Eine Katastrophe, die wir erleiden müssten

„Für vier Millionen an Steuergeldern habe ich immer noch ein Restrisiko“, bestreitet Kögel den Nutzen im Falle eines HQ-100-Ereignisses. Das Hochwasser in Braunbach, das laut Winkler Sachschaden in Höhe von 100 Millionen Euro angerichtet hatte, „wäre umgerechnet auf Stetten eine Katastrophe, die wir erleiden müssten“. Neuffen etwa baue deshalb nichts. Der Bürgermeister rate dort zu Gelassenheit in Sachen Jahrhunderthochwasser.

Diplom-Ingenieur Winkler widersprach energisch: „Ich sage nur, es ist nicht auszuschließen, dass dieser Regen im hinteren Haldenbachtal fällt.“ Zum anderen gebe es wissenschaftlich erwiesen zwei Ursachen für Hochwasser bei Starkregen, die mit Versiegelung nichts zu tun hätten. Entweder der Boden ist mit Wasser so gesättigt, dass es oberirdisch abfließt, ober aber die Erde ist gefroren – mit demselben Effekt. Zudem, so Altenberger: „Im hinteren Haldenbachtal ist doch nichts versiegelt.“

CDU-Fraktionschef Andreas Wersch missfällt, dass Zahlen zum Thema Hochwasserschutz in Stetten ständig variieren. Er frage sich etwa, was an Schadensersatzforderungen drohe, wenn die laut einem Gutachten gefährdeten Trinkwasserquellen kontaminiert würden. Die Rechtslage verlange, damit Stettener auch im Hochwassergebiet bauen können, den HQ-100-Standard. Bei Schadensersatzforderungen zähle vor Gericht der Stand der Technik. Das Rathaus stehe in der Pflicht, die Bürger zu schützen. Zwar zeigte der Pegel beim jüngsten Hochwasser in Stetten nur ein Viertel der Menge von Schwäbisch Gmünd. „Aber das bedeutet nicht, dass es nicht morgen ganz anders kommen könnte.“

Wer zahlt für den Hochwasserschutz?


Der Kostenschlüssel bei gesetzlich vorgeschriebenem Hochwasserschutz: 30 Prozent zahlt die Kommune als Bauherr, der Rest sind Fördermittel des Landes. Im Gemeinderat wird aber auch die Frage diskutiert, ob Nutznießer der Stettener 4-Millionen-Anlage, sprich die Unterlieger-Kommunen, sich nicht beteiligen sollten. Experte Winkler warnte: „Wenn Sie Betroffene reinnehmen wollen, werden Sie die Diskussion bekommen, mit welchem Schlüssel Sie die Nutznießer beteiligen.

Quelle: Waiblinger Kreiszeitung vom 21.06.2016 / Text: Hans-Joachim Schechinger

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmst du der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.

Schließen