Apr 22 2016

Was wäre wenn: Politiker ohne Geld?

Veröffentlicht von um 23:27 unter Pressespiegel

Dieses Mal verlasen die fünf Kernener Ratsfraktionen je eigene Haushaltsreden – und setzten überraschende Akzente

Was wäre, wenn wir kein Geld hätten?“ Eine absurd-irreale und dennoch hilfreiche Frage, weil sie für einen Augenblick die Prioritäten kommunaler Haushaltsplanung über den Haufen wirft. Die OGL-Fraktion ließ sich in ihrer Haushaltsrede auf dieses Spiel ein. „Würden wir es uns dann auch leisten können, rund eine Million Euro für die Aufhübschung zweier bereits bestehender Parkplätze auszugeben?“, fragt Fraktionschef Andreas Stiene. Anders als in den Vorjahren traten die fünf Kernener Fraktionen dieses Jahr mit je eigenen Haushaltsreden an. CDU, SPD und UFW hatten sich im Ältestenrat auf maximal zehn Minuten Redezeit verständigt und der PFB (Ebbe Kögel) fünf Minuten eingeräumt.

Kögel, der einen alten Wecker seiner Mutter demonstrativ auf das Rednerpult stellte, überzog geringfügig. Die Grünen auch, nutzten ihren Beitrag aber für eine pfiffige Auseinandersetzung mit den aus ihrer Sicht falschen Prioritäten in der Kernener Kommunalpolitik. „Der einzige Weg, um das Verhalten der Politiker zu ändern, ist, ihnen das Geld wegzunehmen“, zitierte Andreas Stiene den amerikanischen Wirtschaftsliberalen Milton Friedman.

Hätte Kernen also kein Geld, so Stiene, würde man sich überlegen müssen, ob zwei aufgehübschte Parkplätze für eine Million Euro oder der Betrieb eines Hallenbads, das nur tiefrote Zahlen erwirtschaftet, ohne Aussicht, jemals in die Gewinnzone zu rutschen, nicht krasse Fehlentscheidungen sind. Da sei einmal der jährliche Abmangel für Bürgerhaus und Hallenbad, während die Rücklagen „bald verfrühstückt sind“. Tatsächlich stagnieren auch die Kernener Gewerbesteuereinnahmen.

Nicht anders sei zu erklären, findet Stiene, dass sich die Gemeinde bereits jetzt aus dem Wohnungsbau zurückziehe und stattdessen ein Haus in der Dinkelstraße 15 und die Sozialwohnungen in der Beinsteiner Straße über Erbaupachtverträge mit der Kreisbaugesellschaft errichtet. „Eine eigenständige Errichtung der betreffenden Gebäude hätte eine ständige, sichere Mieteinnahmequelle der Gemeinde bedeutet. Die Baukosten hätten sich mit Hilfe von Landeszuschüssen alsbald amortisiert.“ Bei Investitionen in den ÖPNV tue Kernen schon aber jetzt so, als habe es kein Geld mehr.

Kögel fordert mehr Offenheit und Visionen

Auch Gemeinderat Ebbe Kögel (PFB) hielt der Gemeindeverwaltung und den Ratskollegen eine blumige Philippika. Mehr Gelassenheit im Umgang mit Minderheiten würde dem Gremium gut anstehen, riet der Einzelkämpfer. Seine Ratskollegen bewiesen Gelassenheit postwendend, als sie einen Vertreter von K 21 einstimmig in den Planungsworkshop zur Klosterstraße zuließen. Dem Bürgermeister empfahl Kögel „mehr Offenheit für neue Ideen, für Visionen.“ Er beklage ein Regiment „nach Gutsherrenart. Soll heißen, dass es bestimmte Lieblinge des Bürgermeisters gibt, die bevorzugt bedient werden. Die anderen werden vertröstet, abgestraft, nicht berücksichtigt.“ Kögel kritisiert, „dass bestimmte Vorschläge die von mir oder auch von der OGL kommen, aus Grundsatz niedergestimmt werden.“

Wersch: Mehrheitsentscheidungen des Gemeinderates respektieren

CDU-Fraktionschef Andreas Wersch beklagte etwas ganz anderes, die Tendenz nämlich, dass Bürger, statt auf Gemeinsamkeiten zu setzen, sich nach dem Motto „Wir gegen die da oben“ lieber abgrenzen. Im Zweifelsfall hätten Verwaltung und Gemeinderat dann eh „keine Ahnung“. Die Kernener sollten etwa beim Skywalk die im Konsens mit Naturschutzbehörden gefundene „gute Lösung“, die eine Mehrheit des Gemeinderates billige, respektieren und konstruktiv an der Umsetzung mitwirken. „Unter Bürgerbeteiligung darf durchaus auch die aktive Mitarbeit ,für’ etwas verstanden werden“, sagte Andreas Wersch. So wie etwa Handwerker und Unternehmer im Ort den Steg finanziell unterstützten.

Dass sich die CDU für Natur- und Landschaftsschutz einsetze, belegten Haushaltsanträge wie der nach Wiedereinführung des Ackerrandstreifen-Programms oder der auf Förderung einer bienenfreundlichen Kulturlandschaft. Im Hinblick auf die Remstal-Gartenschau, die die CDU als Chance zur Attraktivitätssteigerung für beide Ortsteile sehe, beantrage seine Fraktion, Wasser in Form eines begehbaren Zugangs zum Bach den Menschen erlebbar zu machen und einige wenig bekannte Kleinbrunnen zu erneuern und deren Umgebung ansprechend zu gestalten.

Kirgis: Sozialer Wohnungsbau ist das Gebot der Stunde

SPD-Fraktionschef Hans-Peter Kirgis nannte als wichtigstes Haushaltsziel, die seit zwei Jahren rückläufigen Gewerbesteuereinnahmen und eine, bedingt durch zahlreiche Investitionen stark geschrumpfte Rücklage nicht aus den Augen zu verlieren. Der Zustrom von Flüchtlingen stelle die Kommune vor nie gekannte Herausforderungen. Zwar leiste der sehr aktive Arbeitskreis Asyl mit seinen ehrenamtlichen Helfern hervorragende Arbeit. „Trotzdem sorgt die Unterbringung von immer mehr Flüchtlingen auf dem Gemeindegebiet für heftige Diskussionen in der Bevölkerung.“ Der SPD sei es deshalb sehr wichtig, weiterhin im Gespräch mit den Bürgern zu bleiben, gerade auch, was die Schaffung von Wohnraum für die Anschlussunterbringung betrifft. Sozialer Wohnungsbau sei ohnehin das Gebot der Stunde. Die 400 Wohnungssuchenden in der Gemeinde zeigten, dass Gemeinderat und Verwaltung allergrößte Anstrengungen unternehmen müssten. Seiner Aufforderung, dem SPD-Antrag auf Einstellung von Planungsmitteln für diesen Zweck zuzustimmen, folgte das Gremium.

Dietzel: Finanzielle Entscheidungen mit noch mehr Bedacht treffen

Fraktionschef Hans Dietzel (UFW) sorgt sich um die geringen Geldreserven der Gemeinde. Investitionen zögen immer Folgekosten nach sich. Vor diesem Hintergrund – geringe Rücklagen, hohe laufende Kosten – müssten künftig finanzielle Entscheidungen mit noch mehr Bedacht gefällt werden. „Gegebenenfalls müssen wir neue Projekte verschieben oder, wenn es gar nicht anders geht, darauf verzichten“. Die UFW trage das interkommunale Grünprojekt 2019 inzwischen trotz der hohen Verwaltungskosten mit, die sich noch erheblich summiert hätten. Allerdings wünsche sich die Fraktion mehr Natur- und Grünprojekte. Es würden freilich auch attraktive und nachhaltige Dinge geschaffen, Beispiel Klosterstraße. Über die Umgestaltung des Schlossparks, den größten Einzelposten mit geplanten Kosten in Höhe von 535 000 Euro sollte unter Kostengesichtspunkten und für eine Zeit nach der Gartenschau noch einmal intensiv nachgedacht werden. Was die Sanierung des Kinderhauses Pezzettino betrifft, bestehe die UFW darauf, dass der heilpädagogische und inklusive Ansatz erhalten bleibt. Er sei einer von vielen Bausteinen in der Kernener Bildungspolitik. Und: „Bildung ist für unsere Gesellschaft die beste Investition in die Zukunft.“

Gebilligte Anträge

Bevor der Etat 2016 verabschiedet wurde, stimmte der Gemeinderat über die Haushaltsanträge ab. Hier die Liste der wichtigsten Beschlüsse, vorangestellt sind die Antragsteller.

  • CDU, UFW, SPD, OGL: Für eine verbesserte Beleuchtung der Gemeindebücherei Stetten werden 10 000 Euro zur Verfügung gestellt.
  • SPD: Die Gemeinde wird beauftragt, die Toilettenanlagen in den Aussegnungshallen auf den Friedhöfen Stetten und Rommelshausen in einen ordentlichen Zustand zu bringen. Die Kosten: 2 000 Euro.
  • CDU, UFW, SPD, OGL: Für die Planung einer Erweiterung der Aussegnungshalle in Leichtbauweise auf dem Rommelshausener Friedhof werden 3 000 Euro eingestellt.
  • CDU: Ein Betrag von 10 000 Euro ist für die Ausgestaltung des Platzes zwischen Bürgerhaus und Rathaus mit Grünpflanzen bereitzustellen. Das Geld kann dem Sanierungsfördertopf entnommen werden, belastet den Haushalt also nicht.
  • SPD: Planungsrate für sozialen Wohnungsbau: 15 000 Euro
  • CDU: Die Gemeinde legt ein neues Förderprogramm für die Bepflanzung von Ackerrandstreifen auf. Dafür werden in den nächsten drei Jahren einschließlich 2016 jeweils 3 000 Euro eingestellt.
  • CDU: Für das Aufstellen von drei öffentlichen Müllkörben an den Kernener Hundelaufstrecken werden 1 500 Euro eingestellt.
  • CDU, UFW, SPD, OGL: In Sprachkurse für Asylbewerber an der VHS-Außenstelle Kernen will der Gemeinderat 20 000 Euro investieren.

Quelle: Waiblinger Kreiszeitung vom 22.04.2016 / Text: Hans-Joachim Schechinger

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