Mrz 20 2016

Klares Ja zum Skywalk

Veröffentlicht von um 21:00 unter Pressespiegel

Gemeinderat beschließt den Bau des Stegs Naturdenkmal Sieben Linden. Alternativen verwirft er

Die umstrittene Aussichtsplattform, auch Skywalk oder Himmelsleiter genannt, wird gebaut. Der Gemeinderat Kernen hat sich in seiner Sitzung am Donnerstagabend mit einer Mehrheit von 15 zu sechs Stimmen bei einer Enthaltung für den 18 Meter langen Steg in einer filigranen Leichtbauweise aus dem Büro Schlaich, Bergermann und Partner entschieden.

In der von etwa 100 Menschen besuchten Sitzung im Bürgerhaus Stetten ist der Beschluss von vereinzeltem Beifall begrüßt worden, nachdem zuvor vor allem die Redebeiträge der Gegner mit kräftigem Applaus bedacht wurden. Im Gemeinderat äußerst ungewöhnliche Bravo-Rufe erntete der Vertreter der Offenen Grünen Liste (OGL), Christof Leibbrand, für seinen Antrag, den Beschluss um den Steg einem Bürgerentscheid zu unterwerfen. Die dazu nötige Zwei-Drittel-Mehrheit, das wären 16 Stimmen gewesen, verfehlte der Antrag allerdings klar bei fünf Ja- und 14-Neinstimmen. Drei Räte enthielten sich.

Bei der Vorstellung des Projekts hatte zuvor der Kernener Bauamtsleiter und Beigeordnete Horst Schaal auf die geplante Lage hingewiesen, die für das Abstimmungsverhalten der Gemeinderäte eine große Bedeutung hatte. Der Steg entsteht auf der Nordseite, also da, wo er eine steil abfallende Hangkante überragt und die Besucher – das sind Wanderer – über den Wipfeln der darunter liegenden Büsche und kleinen Bäume stehen. Er ist an der Hangkante so schmal, dass er zwischen zwei jungen Bäumen durchpasst und den weitreichenden Blick in Richtung Weinstadt und das sich an dieser Stelle öffnende Remstal ermöglicht. Diese Sicht ist durch den schützenswerten Baumbewuchs des Naturdenkmals im Sommer verwehrt. Der Blick auf das Dorf Stetten von den beiden bestehenden Bänken aus, also auf der Nordwestseite, bleibt unverändert und benötigt eine solche Plattform nicht. Ebenso unverändert bleibt die artenreiche trockenwarme Südwestseite mit Felsbändern.

Nach der bisherigen Schätzung kostet der Steg zwischen 150 000 und 200 000 Euro, weswegen die SPD-Gemeinderätin Ingrid Möhrle unter Verweis auf wichtige soziale Aufgaben der Gemeinde die Investition ablehnte. Der UFW-Fraktionsvorsitzende Hans Dietzel erklärte sich für hin- und hergerissen, stimmte aber zu. In der Sitzung wies der CDU-Gemeinderat Volker Borck darauf hin, dass sechs Unternehmer aus dem Ort ihre Bereitschaft erklärt hätten, ihre Arbeit kostenlos einzubringen, so dass nur die Materialkosten von der Gemeinde zu tragen sind. Er stellte den Antrag, nur 100 000 Euro bereitzustellen und die Kosten in dieser Höhe zu deckeln. Nach Ansicht des Bauamtsleiters Schaal ist dies realistisch. Der Antrag erhielt eine Mehrheit von 16 zu vier Stimmen bei einer Enthaltung.

Alle von Bürgern vorgeschlagenen Alternativen, um den Landschaftsbaustein „Sieben Linden“ zu schonen, sind durch den Beschluss verworfen worden. Den Gemeinderäten lagen ausführliche Unterlagen über alle Vorschläge vor. Darunter sind der „Dichterblick“ oder die Hoffmannshöhe. Nach Meinung von Bauamtsleiter Schaal gibt es dort auch schöne Aussichten, aber nicht den „spezifischen Ort“, für den der Steg geschaffen worden ist. „Wir wollen eine erwanderbare Gartenschau. Zum Wegesystem gehört auch der Remstal-Höhenweg. Rastpunkte wollen wir aufwerten“, begründete Horst Schaal, warum drei Remstalblicke geschaffen werden. Unter anderem wird das Umfeld der Y-Burg und der Harthau aufgewertet.

Hintergrund
Jörg Schlaich Das Büro Schlaich, Bergermann und Partner ist einst vom in Stetten geborenen, mittlerweile international bekannten Bauingenieur Jörg Schlaich gegründet worden. Dieser lebt jetzt im Ruhestand in Berlin. Der Aussichtssteg soll nicht nur eine Attraktion für die Remstal Gartenschau 2019 werden, er gilt auch als eine Hommage an den großen Sohn der Gemeinde Kernen.

Naturdenkmal
Die Landschaftsmarke Sieben Linden ist vor allem auf der Südwestseite ein Refugium für seltene Tiere, während sie im übrigen ökologisch nicht herausragt. Auf der trockenwarmen Südwestseite mit ihren Felsbändern lebt eine stattliche Bevölkerung von Zauneidechsen, eine selten gewordene Art. Der Gutachter Jürgen Stotz empfiehlt, dort einige nicht standortgemäße oder das Biotop störende Pflanzen wie den Sanddorn zu entfernen, damit dieser Lebensraum auf Dauer erhalten bleibt.

Hindernisse
Für die Aussichtsplattform ist ein Bauantrag zu stellen. Auch eine naturschutzrechtliche Genehmigung durch das Landratsamt, der unteren Naturschutzbehörde, ist erforderlich, weil die Fläche sowohl als Naturdenkmal vor Veränderungen geschützt ist, als auch im Landschaftsschutzgebiet liegt, wo das Bauen erschwert ist. Wegen der minimalistischen Bauweise und der Standortwahl auf der Nordseite rechnet sich die Gemeindeverwaltung Chancen auf eine Genehmigung aus, wenn sie für einen ökologischen Ausgleich sorgt. Der Gutachter Jürgen Stotz kommt zum Ergebnis, dass die Beeinträchtigung der Schutzgüter Boden, Wasser und Pflanzen sehr gering sei, die Beeinträchtigung des Klimas und der Luft unbedeutend. Tiere seien nur in geringem Maße betroffen. Die Beeinträchtigung der Landschaft sieht er im Nahbereich als mittel, im Mittelbereich als gering an.

Quelle: Fellbacher Zeitung vom 19.03.2016 / Text:  Hans-Dieter Wolz

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