Jan 17 2016

„Wir planen mit 9000 Flüchtlingen“

Veröffentlicht von um 16:23 unter Pressespiegel

Landrat Dr. Richard Sigel beim Antrittsbesuch in Kernen: „Mit Willkommenskultur ist es nicht getan“

Landrat Richard Sigel griff bei seinem Antrittsbesuch im Kernener Gemeinderat nicht nur das Müllchaos auf. Er nannte auch neue Zahlen zur Flüchtlingsunterbringung im Landkreis. Wöchentlich, so Sigel, würden 211 Asylbewerber zugewiesen. „Mit Willkommenskultur ist es nicht getan, wir müssen uns um die Struktur kümmern.“ Die Integration komme noch zu kurz.

Seit dem 4. August ist Richard Sigel als neuer Landrat des Rems-Murr-Kreises im Amt. Die Erstunterbringung der Flüchtlinge, das Top-Thema des Jahres 2015, beschäftige ihn seit seinem ersten Tag, sagte er. Bei der jüngsten Ratssitzung in der Stettener Glockenkelter stellte er sich zu diesem drängenden Problem der Frage der OGL-Fraktion: Welchen Einfluss hat das Landratsamt auf die Zuteilungszahlen in übergeordneten Gremien? Lakonische Antwort: Einflussnahme ist so gut wie unmöglich. „Wir sind da im Bereich der staatlichen Verwaltung. Insofern haben wir relativ wenig Mitwirkungsrecht“, so der Landrat. „Wir müssen 4,8 Prozent der Flüchtlinge in Baden-Württemberg aufnehmen – das entspricht aktuell 211 Personen je Woche.“

Das Landratsamt Waiblingen geht fürs laufende Jahr von 9000 Flüchtlingen aus, vorausgesetzt, die Maßnahmen des Landes zu einer Reduzierung greifen. Wichtig ist dem Landrat, dass es mit den Gesten der „Willkommenkultur nicht getan ist. Es geht auch um die Struktur“. Zur Ehrlichkeit gehöre, dass der Landkreis immer noch mit der Unterbringung der ankommenden Asylbewerber kämpfe, die Integration darüber aber zu kurz komme. „Wir brauchen eine Drosselung der Zahlen, eine Kürzung, um die Menschen in den Arbeitsmarkt zu bringen“, sagte der parteilose Landrat.

Es gebe einen regen Austausch mit den Regierungspräsidenten. Je nach Unterkunft würden Bitten zur Belegung – Männer/Familien – vorgebracht. Eine Verteilung nach der Einwohnerzahl der jeweiligen Gemeinde sei, obwohl erwünscht, nicht immer möglich, „da wir schlicht schauen müssen, in welcher Kommune sich geeignete und schnell verfügbare Gebäude, Flächen für Container und anderes befinden“.
Möhrle zum Müllchaos: Schauen Sie, dass es bald wieder funktioniert

Die Kernener Gemeinderäte durften nicht munter drauflos fragen, sondern mussten ihre Fragen vorab im Landratsamt vorlegen. Auch das Müllchaos kam zur Sprache. Man werde wegen der unsäglichen Zustände von verärgerten Bürgern angegangen, berichtete SPD-Gemeinderätin und Kreisrätin Ingrid Möhrle, die um ein rasches Umsteuern bat, „damit das in den nächsten Wochen wieder funktioniert“. Richard Sigel zeigt sich selbst betroffen. „Sie können sich vorstellen: Ich wurde auch in meiner Straße angesprochen. Das ärgert einen wirklich. Wir werden das auch mit der Firma zu besprechen haben. Wir lösen das.“

Die neue Firma Kurz aus Ludwigsburg, die im Nachbarkreis seit vielen Jahren Erfahrung hat, sei bei der Ausschreibung einfach der günstigste Bieter gewesen, merkte CDU-Fraktionschef und Kreisrat Andreas Wersch an. „Die Verantwortlichkeit hat nicht der Landkreis, sondern es war der Zwang durch die Ausschreibung: Die jetzige Firma war günstiger als die anderen. Wir hatten juristisch gar keine Möglichkeit, die rauszukegeln.“ Wobei das heftig gescholtene Abfuhrunternehmen Kurz laut Abfallwirtschaftsgesellschaft kein Billigheimer, sondern ein Mittelständler ist.

Die Kernener OGL-Fraktion wollte vom Landrat wissen, wie die prekäre finanzielle Situation der Diakonie Stetten, bei deren Finanzierung mit der Auflösung der Wohlfahrtsverbände der Landkreis mittlerweile die wichtigste Rolle einnimmt, stabilisiert und langfristig verbessert werden könnte. Landrat Richard Sigel betonte den hohen Stellenwert der Diakonie, wohlwissend, dass gerade die Sozialausgaben, die etwa die Hälfte des Kreishaushalts umfassen, steigen. „Wir wollen deshalb mit den Trägern eine Vereinbarung finden, die für beide Seiten verträglich ist.“ Ab April 2016 übernehme Petra Bittinger die Leitung des Sozialdezernats.

Kögel: Rechtsform kreiseigener Firmen schafft Intransparenz

PFB-Gemeinderat Ebbe Kögel ging es um die Rechtskonstruktion kreiseigener Firmen. So entziehe sich, was die neue Rems-Murr-Klinik betreffe, ihre rechtliche Verfassung als GmbH weitgehend demokratischer Kontrolle. Gewählte Vertreter im Aufsichtsgremium der Krankenhaus-GmbH seien zur Geheimhaltung verpflichtet. Fehlende öffentliche Kontrolle sei angesichts der Schlagzeilen zu gestiegenen Baukosten, undurchsichtigen Finanzierungsverfahren und dem Skandal um die unlauteren Geschäftsmethoden der Firma Imtech bedenklich. Was gedenke der Landrat zu tun? Richard Siegel gab Kögel recht: Die Rechtskonstruktion kreiseigener Firmen solle nach Möglichkeit transparent sein. Die Abfallwirtschaftsgesellschaft als Anstalt des öffentlichen Rechts zu konstruieren, das wäre eine Antwort, mit der die Kreisverwaltung liebäugle. Das müsse man genauer anschauen. Bei den Kliniken gehe es zunächst aber einmal darum, dass der Landkreis „seine Hausaufgaben macht, um die finanzielle Belastung für die Gemeinden ertragbar zu machen“. Bei der Klausurtagung im Herbst habe sich der Kreistag im Zuge der Haushaltsberatung mit dem Thema Kliniken ausführlich befasst.

Quelle: Waiblinger Kreiszeitung vom 16.01.2016 / Text: Hans-Joachim Schechinger

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmst du der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.

Schließen