Okt 11 2015

Tagespflege – Projekt mit Zukunft

Veröffentlicht von um 11:24 unter Pressespiegel

vom 10.10.2015

Kernen erwägt den Bau eines Hauses in der Seestraße für die Sozialstation mit Tagespflegeplätzen und Kleinkindgruppen

Nach Überlegungen für ein Flüchtlingswohnheim in der Seestraße eröffnet das jetzt von der Gemeinde angedachte Projekt einer Sozialstation mit Tagespflege, Schülertreff und Kleinkindbetreuung unter einem Dach neben der zum Asylbewerberheim umgebauten Obdachlosenunterkunft ganz neue Perspektiven. Sozialministerin Altpeter lobt den innovativen Ansatz.

Bislang ist es nur eine Idee, für die das Bauamt einen Entwurf erstellt hat. Das zweigeschossige Flachdachgebäude, von der Seestraße her erschlossen, könnte ebenerdig das Büro der Sozialstation Kernen und mehrere Tagespflegeplätze aufnehmen. Im Obergeschoss sieht der Entwurf auf 345 Quadratmetern Fläche einen Schülertreff und zwei Kleinkindgruppen vor. Auf der Wiese bliebe Platz für einen kleinen Bolzplatz. Bauamtschef Horst Schaal sieht für diese verbleibende Grünfläche im Format 24 mal 15 Meter auch die Option, sie als Soccercourt anzulegen. Die Unterbringung von 40 bis 50 Asylbewerbern ist in dieser Planung auf das bestehende Obdachlosenheim konzentriert, das umgebaut und bei Bedarf erweitert werden müsste.

Der Charme dieser Planung ist die Nutzung des Areals durch Alt und Jung einschließlich der einquartierten Flüchtlinge, die das gemeinsame Sportgelände mitnutzen könnten. Aus Sicht des Rathauses leisteten die Mitarbeiter der Sozialstation zudem eine Art soziale Kontrolle über das Wohnheim. Das Projekt setzt auf Synergien, auf Integration und altersübergreifendes Miteinander mit dem einzigen städtebaulichen Manko, dass „der grüne Wall an der Seestraße dann weg ist“, wie Beigeordneter Horst Schaal einräumte. Auf zwei Stockwerken würden 700 Quadratmeter Nutzfläche zur Verfügung stehen. 11Landkreis bestätigt Bedarf an 20 Pflegeplätzen

Weil Kernen viel Geld in die Kombilösung investieren müsste, stellt sich dem Gemeinderat die Grundsatzfrage nach Wirtschaftlichkeit, möglichen Förderzuschüssen und dem langfristigen Bedarf an Tagespflegeplätzen für Senioren. Die Sozialstation Kernen hat einen Antrag auf Projektförderung für eine Einrichtung mit 20 Plätzen gestellt. Er liegt dem Kommunalverband für Jugend und Soziales Baden-Württemberg vor. Der Rems-Murr-Kreis hat Kernen den Bedarf an 20 Betreuungs- und Pflegeplätzen bestätigt, obwohl die derzeitige Pflegeplanung des Landkreises von einem Bedarf an zehn Plätzen ausgeht. Doch die Nachfrage werde, auch wegen der verbesserten Finanzierung von Pflegeleistungen, steigen, sagte Sozialministerin Katrin Altpeter, die in der jüngsten Gemeinderatssitzung zu dem Thema Rede und Antwort stand. Das Rathaus hatte in Stuttgart um Informationen und einen kompetenten Gesprächspartner zu der anstehenden Entscheidung gebeten, und siehe da: Die Ministerin kam höchstpersönlich.

Die Angebote der Tagespflege sind für die Sozialministerin wichtige Bausteine zur Ergänzung der häuslichen Pflege und zur Entlastung der Angehörigen. „Die allermeisten sagen, ich will so lange wie möglich in meiner vertrauten Umgebung leben und Unterstützung haben vom Einkaufen bis zur Pflege“, so Katrin Altpeter. Obwohl in den vergangenen Jahren eine Reihe von Tagespflege-Projekten, die eine Förderzusage erhalten hatten, wegen der Kosten des laufenden Betriebs von den Trägern nicht umgesetzt wurden, soll an dem Förderschwerpunkt landesweit festgehalten werden. Nachfrage und Bedarf würden deutlich steigen, da sich die Finanzierung der Tagespflege verbessert habe und auch die Voraussetzungen, um Tagespflege in Anspruch zu nehmen, nach dem Leistungsrecht erweitert worden sind.

„Ich erwarte mir von dieser Verbindung, dass die Tagespflege einen deutlichen Aufwind bekommt“, sagte Altpeter. Es wüchsen die Möglichkeiten angesichts der Tatsache, „dass wir alle im Alter daheimbleiben und die Angehörigen entlasten wollen. Es ist etwas anderes, wenn Pflegebedürftige zu Gast sind, als wenn sie in einer stationären Pflegeeinrichtung dauerhaft untergebracht werden.“ Unsere Gesellschaft werde sich daran gewöhnen müssen, dass Demenz ein Teil des Lebens sei. Sie halte das Kernener Projekt zudem für innovativ, „weil es unterschiedliche Gruppen mit unterschiedlichen Bedarfen auf gemeinsamem Raum unterbringt.“ Bei der Auswahl werde nach fachlichen Kriterien entschieden. Deshalb könne sie den Kernenern „diesbezüglich keine Versprechungen machen, das wäre unlauter, aber ich würde nicht sagen, dass eine Förderung völlig aus der Welt ist“.

Andreas Wersch: „Wird es einen Markt geben?“

Die Landesregierung hat in ihrem „Innovationsprogramm Pflege“ drei Millionen Euro an Förderhilfen für Bauvorhaben bereitgestellt, aber schon jetzt ist das Programm überzeichnet, sprich das Volumen der Anträge übersteigt den Förderrahmen. Im Februar 2016 wird das Ergebnis des Auswahlverfahrens öffentlich gemacht. Ministerin Altpeter ist überzeugt, „so ein Haus kann eine große Bereicherung für das Gemeinwesen sein. Mit den Flüchtlingen könnte es ein schönes Projekt werden, welches das Gemeinwesen ergänzt.“

Wenn CDU-Fraktionschef Andreas Wersch die Frage nach dem Bedarf stellt, geht es auch um die Wirtschaftlichkeit. In Fellbach seien 15 Menschen untergebracht, aber es gebe keine Warteliste. „Wird Tagespflege ein Markt werden? Diese Frage müssen wir beantworten.“ Zumal, wie Benjamin Treiber anmerkte, es mittelfristig in Kernen zwei Seniorenwohnheime geben werde, die möglicherweise selber Tagespflege-Angebote planen. Für PFB-Rat Ebbe Kögel ist in der Diskussion zu sehr von Markt die Rede. „Wir sollten die Betreuung als eine gesellschaftliche Aufgabe sehen“, sagte Kögel. „Meine Utopie ist es, die Tagespflege durch einen Nachbarschaftsverband abzulösen.“

Quelle: Waiblinger Kreiszeitung vom 10.10.2015 / Text: Hans-Joachim Schechinger

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