Aug 22 2015

„Wir teilen die Euphorie nicht“

Veröffentlicht von um 22:01 unter Pressespiegel

vom 22.08.2015

Der Kernener CDU-Fraktionschef Wersch hofft auf einen Erfolg des Remstalwerks, aber es sei Vertrauen verspielt worden

Nach zähen Verhandlungen mit der EnBW soll das Stromnetz zum 1. Januar 2016 vom Remstalwerk übernommen werden. Dieser Stichtag ist jedoch noch fraglich. Geschäftsführerin Gabriele Laxander hofft, dass der schwächelnde Verkauf der Stromverträge von der Übernahme profitiert. Bei der Abstimmung über den Rückkauf enthielten sich im Kernener Gemeinderat CDU-Fraktionschef Andreas Wersch und sein Ratskollege Benjamin Treiber (CDU) der Stimme. Wersch erklärt uns in einem Interview, warum.

Herr Wersch, Sie und Herr Treiber hatten sich nach langer nichtöffentlicher Debatte im Gemeinderat bei der Abstimmung über den Netzrückkauf der Stimme enthalten. Wo liegen Ihre Bedenken?

Nach der großen Euphorie und Aufbruchsstimmung ist bei vielen Kollegen inzwischen Ernüchterung eingekehrt. Das bedeutet nicht, dass wir unseren Entschluss jetzt infrage stellen. Es war im Grundsatz eine richtige Entscheidung, die Stromversorgung und irgendwann auch die Gasversorgung als Teil der kommunalen Daseinsvorsorge in die eigene Hand zu nehmen. Aber nach dem Ausstieg Weinstadts, die sich für ein anderes Modell entscheiden haben, kommen doch erste Zweifel, ob es nicht andere, vielleicht risikolosere Alternativen gegeben hätte. Wir vertrauen auf unsere Partnerstadtwerke Fellbach und Schorndorf und insbesondere auf die Erfahrungen des Albwerks, die uns zur Seite stehen. Manches wirkt im Moment noch etwas unbeholfen, aber wir sind ja auch neu im Stromgeschäft. Nach außen wäre es kein gutes Signal gewesen, wenn Gemeinderäte jetzt gegen den Netzkauf gestimmt hätten. Klar ist: Nur als Netzbetreiber macht das Remstalwerk als Unternehmen Sinn. Unsere Enthaltung war Signal dafür, dass wir mit der Diskussion unzufrieden sind und die Euphorie nicht teilen.

Das Remstalwerk hat die erwartete Zahl von rund 4000 Stromkunden noch längst nicht. Kann aus Ihrer Sicht der Netzerwerb mit seinem Vor-Ort-Service die Attraktivität des Stromanbieters Remstalwerk verbessern wie das die Geschäftsführerin Gabriele Laxander glaubt?

Mag sein, dass es noch einen Schub gibt, wenn wir endlich das Stromnetz gekauft haben. Das Werbeargument „Strom von der eigenen Gemeinde“ zu kaufen, zieht bislang nur bedingt. Schlussendlich sind die Verbraucher ja nicht dumm: Strom wird dort gekauft, wo er am günstigsten ist, nicht aus Lokalpatriotismus beim Remstalwerk. Erst wenn wir auch das Netz in unserem Besitz haben, kann damit Geld verdient werden. Ehrlicherweise muss man sagen, dass das Geld mit den Konzessionen und dem Netzbetrieb verdient wird, weniger mit dem Strom selbst. Man muss vielleicht noch deutlicher herausstellen, dass der Ertrag aus dem Remstalwerk uns direkt vor Ort zugutekommt und in kommunale Projekte investiert werden kann – und nicht an Aktionäre oder an das Land fließt. Aber ohne Netz sind wir eben auch nur ein Stromanbieter unter vielen. Und zum Vor-Ort-Service: Der hängt davon ab, ob es uns gelingt, gute Leute zu bekommen. Wenn uns das Netz gehört, sind wir auch dafür verantwortlich, dass es reibungslos funktioniert.

Für den Netzkauf schießt Kernen rund 1,1 Millionen in den Kapitalstock nach. Lohnt sich diese Investition?

Diese Summe wiegt natürlich im Moment schwer. Gleichzeitig bleiben nach dem Netzerwerb die jährlichen Konzessionsabgaben des seitherigen Betreibers aus – die müssen wir aber erst erwirtschaften. Das sind allein 350 000 Euro im Jahr, wenn ich mich richtig erinnere. Wenn unsere Berater recht haben, lohnt sich das auf längere Sicht tatsächlich. Auch in anderen Bereichen lassen sich steuerlich noch Synergien erzielen. Aber das „Dollarzeichen“, das manche Gemeinderäte und Bürgermeister in den Augen hatten, ist inzwischen kleiner geworden.

Aufsichtsratsvorsitzender Altenberger setzt auf die Netzentgelte als Geldquelle, wenn das Netz dem Unternehmen erst mal gehört. Wird diese Rechnung nach Ihrer Meinung aufgehen?

Wie bereits vorhin gesagt: 350 000 Euro pro Jahr müssen wir erst einmal erwirtschaften, um auf den gleichen Stand zu kommen wie bisher mit der Konzession. Unser Ertrag als Netzbetreiber hängt wesentlich von der Bundesnetzagentur ab, die legt das tatsächliche Netzentgelt fest. Im Gegensatz zu unserer Geschäftsführerin und zum Aufsichtsratsvorsitzenden habe ich wegen der Höhe der Rendite schon etwas Bauchweh. Zumal andere Kommunen wie Weinstadt, die sich für ein Pachtmodell entschieden haben, längst Geld in ihren Kassen haben. Auf das warten wir bislang noch geduldig.

Wäre ein Pachtmodell aus Sicht der CDU also sinnvoller gewesen?

Wir hatten da kein einheitliches Meinungsbild in der Fraktion. Mir persönlich und einigen Kollegen wäre ein Pachtmodell z.B. mit der EnBW zu deutlich verbesserten Bedingungen lieber gewesen, daraus mache ich keinen Hehl. Damit wäre das unternehmerische Risiko nicht bei der Gemeinde und wir hätten bei den Einnahmen verlässliche Planungsgrößen. Weinstadt hat sich so entschieden und fährt damit wohl nicht schlecht, hört man. Aber wer weiß – wenn sich die Prognosen so entwickeln, wie unsere Berater meinen, dann hat am Ende der Kernener Gemeinderat mit seiner mutigen Entscheidung alles richtig gemacht. Bis dahin braucht es Geduld, ich lasse mich gerne eines Besseren belehren.

Glauben Sie noch daran, dass es zu einer Übernahme des Netzes von der EnBW zum 1. Januar 2016 kommt?

Nein, der Termin am 1. Januar 2016 ist meines Erachtens vom Tisch. Es läuft nun alles auf den 1. Januar 2017 raus, und allein das kostet uns viel Geld. Das haben unsere Berater und die Geschäftsleitung aber schon geahnt, als man die Gemeinderäte noch glauben ließ, eine Netzübernahme ab 2016 wäre möglich. Erst auf meine Nachfrage hin wurde eingeräumt, dass es Probleme gibt. Das werfe ich den Verantwortlichen vor, hier haben sie nicht nur bei mir Vertrauen verspielt. Der Fairness halber muss man aber sagen: Es liegt nicht am Remstalwerk, wenn der Deal nun 2016 nicht zustande kommt, sondern an den Verhandlungspartnern auf der anderen Seite des Tisches.

Was die Geschäftszahlen des Remstalwerks betrifft, wird allgemein die Intransparenz beklagt. Fühlen Sie sich als Gemeinderat ausreichend informiert?

Man kann Bürgermeister Stefan Altenberger bestimmt nicht vorwerfen, dass er seinen Gemeinderat nicht regelmäßig und ausführlich informiert hätte. Sicher war das eine oder andere vorgefiltert, unterstelle ich mal. Manches hat man erst auf Nachfrage erfahren, und die eine oder andere wichtige Information drang zuerst aus „anderen Netzwerken“ zu uns. Die eigentliche Frage ist, ob wir ehrenamtlichen Gemeinderäte als Laien diese Fülle an Informationen auch richtig bewerten können, um die richtigen Entscheidungen zu treffen. Da muss man sich schon ein Stück weit auf die Kompetenz und Ehrlichkeit der Berater verlassen. Schließlich geht es um sehr viel Geld – es ist das Geld des Steuerzahlers. Am Ende des Tages zählt, was in der Kasse ist.

Quelle: Waiblinger Kreiszeitung vom 22.08.2015 / Text: Hans-Joachim Schechinger

Wersch-Andreas
Andreas Wersch, CDU-Fraktionschef:
„Die Dollarzeichen in den Augen sind kleiner geworden“.

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