Aug 21 2015

Aus Pflichtgefühl „reingeschlittert“

Veröffentlicht von um 21:52 unter Pressespiegel

vom 20.08.2015

Der Kernener SPD-Fraktionschef Hans-Peter Kirgis ist 60 geworden und zieht entspannt Bilanz / Zeitfresser Kommunalpolitik

„Man schlittert da rein“, sagt Hans-Peter Kirgis. Der Kernener SPD-Fraktionschef ist 60 geworden, eine Gelegenheit, den Blick zu wenden auf seine jetzt 14 Jahre im Gemeinderat. Den Zeitaufwand habe er massiv unterschätzt, bekennt Kirgis. Sein Mandat begann mit Sparrunden. Keiner ahnte, dass Kernen zehn Jahre später auf Millionen sitzen würde. Die Spar-Kreativität damals hält Kirgis aber für vorbildlich.

Der Stettener Hans-Peter Kirgis konnte sich anlässlich seines runden Geburtstages vor Glückwünschen kaum retten. Das Private hatte ausnahmsweise mal Vorrang. Gemeinderat, Fraktionsvorsitz, Gremienarbeit, Veranstaltungen und ein zeitaufwendiger Job als Fachbereichsleiter mit 35 Mitarbeitern im Kreisjugendamt lassen dem Mann bis aufs Radeln am Wochenende mit seiner Frau kaum Luft. Als Kirgis 2001 als Nachfolger von SPD-Fraktionsmitglied Sabine Rocholl-Kaufmann ins Gremium nachrückte, wusste der Pflichtmensch schon, was ihm das Mandat an Einsatz abverlangen würde. Er war im Stettener Ortsjugendring aktiv gewesen und diente dem Partnerschaftsverein Stetten-St. Pierre d’Albigny zehn Jahre lang als Vorsitzender. „Die Krönung ist der Gemeinderat, das ist am zeitintensivsten“, sagt ein entspannter Hans-Peter Kirgis, nicht ohne bescheidenen Respekt vor sich selbst: „Wir sind auf Leute angewiesen, die sich einbringen. Sonst könnte man keine 22 Gemeinderäte zusammenkriegen.“

Seit 2002 hat der Mann das SPD-Parteibuch und ist damit heute einer von drei Parteisoldaten in der Fraktion. Seit zehn Jahren steht er an ihrer Spitze. „Ich habe die Zeit erlebt, als die Kernener Haushaltslage nicht so rosig war wie heute. Wir haben in der Haushaltsstrukturkommission um 100- Euro-Beträge gefeilscht.“ Kirgis erinnert sich gut, wie der beispiellose ehrenamtliche Einsatz im Flecken auch aus diesen mageren Jahren herrührt. „Damals war man sehr kreativ. Es gab plötzlich Brunnenpatenschaften. Es war gar nicht schlecht, das bürgerschaftliche Engagement zu fördern, da ist Kernen ja eh vorbildlich. Es ist ein Wahnsinn, was da geleistet wird.“
Gutes Einvernehmen mit den großen Fraktionen

Beobachtern entgeht nicht, dass unter Kirgis als Fraktionschef der Schulterschluss mit den zwei großen Ratsfraktionen CDU und UFW trotz Differenzen, etwa bei der Schulentwicklung, gut funktioniert. Die jüngste Haushaltsrede trug eine gemeinsame Handschrift. „Bei den großen Themen stimmt die Marschrichtung“, bestätigt Kirgis, „bei den Haushaltsanträgen bewegen wir uns in dieselbe Richtung.“ Man habe in Kernen in den zurückliegenden Jahren „unheimlich viel erreicht. Wenn ich die Bautätigkeit anschaue, ist das gigantisch. Wir haben öffentliche Einrichtungen geschaffen, ohne einen Cent aufzunehmen.“

Für den Sozialdemokraten ist es unstrittig, dass das Rathaus künftig kleinere Brötchen backen muss: „Jetzt geht es um die Unterhaltung und Straßenbauprojekte wie die Friedrichstraße.“ Nachdem Kernen in der Kinderbetreuung ein Angebot geschaffen hat, das keinen Vergleich mit den benachbarten Großen Kreisstädten scheuen muss, steht für die SPD in den nächsten Jahren die kommunale Schulentwicklung im Fokus. „Da sind wir noch lange nicht am Ende“, sagt der 60-jährige Kirgis. „Es war für mich bitter, den Beschluss mittragen zu müssen, dass Kernen sich von der Werkrealschule verabschieden muss. Unser Augenmerk müssen wir künftig auf die Ganztagesbetreuung an den beiden Grundschulen richten. Die Ganztagesbetreuung wird kommen, davon bin ich überzeugt. Das ist ein ganz klarer Standortvorteil.“

Die Karl-Mauch-Schule hätte dafür die Räumlichkeiten. Ob die Rumold-Realschule mit stabilen Anmeldezahlen auf Dauer ohne Ganztagesbetrieb und damit eine Mensa auskommen kann, ist für Hans-Peter Kirgis die Gretchenfrage, über die Verwaltung und Gemeinderat ergebnisoffenen diskutieren sollten. „Die Gemeinschaftsschule ist nach wie vor unser Ziel“, pocht der SPD-Mann. Das Thema sei aber nicht brennend und auch noch nicht mehrheitsfähig im Rathaus. Aber das könne sich ändern.

Manche Argumente gegen Flüchtlingsheime nerven ihn

Der Schwabe wird mit 40 gscheit. Mit 60 und einem Rucksack voll Erfahrungen darf er die Welt ruhig etwas gelassener sehen. Trotzdem gibt es politische Meinungen, die Hans-Peter Kirgis fassungslos machen und aufbringen, etwa bestimmte Argumente gegen Asylbewerberheime im Ort. „Natürlich sind die Menschen anders als wir, aber die müssen nicht schlechter sein. Nur wenn sie im gewachsenen Ort wie in der Dinkelstraße in Stetten leben, können wir die Leute auch integrieren. Wir brauchen junge Menschen. Wir sollten die Chance nutzen.“

Die Gemeinde Kernen stehe in der Verpflichtung, Flüchtlinge unterzubringen. Hilfe, so Kirgis, könnten Menschen, die aus dem Balkan kommen, auch in ihren Heimatländern erhalten, so dass hier der Migrationsdruck nachlassen könnte. Er verstehe die Sorgen von Anwohnern in Kernen. Er sage aber voraus, „dass es in der Robert-Bosch-Straße eine Lösung geben wird, mit denen beide Seiten leben können.“

Quelle: Waiblinger Kreiszeitung vom 20.08.2015 / Text: Hans-Joachim Schechinger

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