Jul 12 2015

Stettener Hochwasserdamm vertagt

Veröffentlicht von um 20:25 unter Pressespiegel

vom 11.07.2015

Zu viele offene Fragen lassen den Kernener Gemeinderat zaudern / Dammhöhe könnte sich um 2,60 Meter vermindern

Eine Entscheidung zum geplanten Hochwasserrückhaltebecken hinterm Stettener Krebenweg hat der Gemeinderat vertagt. Vor allem die Diakoniequellen in den Brunnenwiesen und die frühere Hausmülldeponie, die im künftigen Rückhaltebecken liegt, bereiten den Räten Sorgen. Dabei zeigen neue Berechnungen, dass sich die ursprüngliche Dammhöhe ohne Qualitätsverlust um bis 2,60 mindern ließe.

Wie berichtet beabsichtigt die Gemeindeverwaltung, den Hochwasserschutz in Stetten auf ein statistisches Extremereignis auszulegen: Ein 100-jährliches Hochwasser (HQ 100), das rein rechnerisch ein Mal in 100 Jahren auftritt. Es entspricht dem dann höchst gemessenen Hochwasserstand. Laut Dipl.-Ingenieur Stefan Krämer vom Laufener Büro Zink Ingenieure, der im Gemeinderat das Ergebnis seiner hydraulischen Berechnungen vorlegte, ist mit dem neuen Wassergesetz dieser hohe Schutzstandard für die Wasserwirtschaftsplanung maßgebend, eine Art DIN-Norm. Der Gemeinderat hatte sich 2013 zur Ertüchtigung des Dammwerks am Krebenweg auf die Variante 3K verständigt. Sie sieht eine Erhöhung des Walls gegenüber der bestehenden Dammkrone um 4,20 Meter vor.

Heissenberger: Vorrang für Retensionsflächen

Gemessen am tiefsten Punkt des Krebenwegs würde die künftige Dammkrone sogar um 6,70 Meter höher als derzeit. Den Riegel, der sich so quer durchs Haldenbachtal zöge, halten viele Gemeinderäte für einen nicht nur optisch unzumutbaren Eingriff in die Bachlandschaft. Aber sie stellen auch Fragen nach der Notwendigkeit. Etwa Helmut Heissenberger (CDU) und Ebbe Kögel (PFB), die den Vorrang von Retensionsflächen, wie es sie draußen bei den Esslinger Fischteichen gäbe, gegenüber einem Hochwasserrückhaltebecken betonen.

Tatsächlich zeigen Stefan Krämers Berechnungen aber bereits einen erfreulichen Fortschritt gegenüber dem Horrorszenario der Variante 3K. Dies ohne Abstriche bei der Leistungsfähigkeit. Die daraus abgeleitete Empfehlung der Gemeinde lautet erstens, den Wasserdurchlauf unterm Damm bei Starkregen von bislang zwei bis fünf Kubikmetern pro Sekunde auf künftig über fünf Kubikmeter zu erhöhen. Der Regler schließt den Bachdurchlauf, sobald mehr als fünf Kubikmeter Wasser unter dem Damm durchschießen – mit der Folge, dass das ursprünglich auf 123 000 Kubikmeter angesetzte Rückhaltevolumen des Damms um 40 000 Kubikmeter verringert werden kann. Die Dammkrone ließe um einen Meter absenken. Nähme man eine zweite Option hinzu, bei der das im Extremfall an der Dammkrone überlaufende Regenwasser nicht in einer schmalen Rinne, sondern auf der ganzen Breite des Bauwerks (überströmender Damm) in Richtung Stetten abflösse, ließe sich die Dammhöhe um weitere 1,60 Meter reduzieren. In der Summe minderte sich die Dammhöhe also um 2,60 Meter. Stefan Krämer ist wichtig, dass sich das Rückhaltebauwerk optimal in die Landschaft einfügt. Damit für Fußgänger der Blickkontakt bachaufwärts ungestört fortbestehen kann, rät er, den Krebenweg auf die Dammkrone zu versetzen.

Das angedachte Hochwasserrückhaltebecken muss als Bestandteil eines umfassenden Pakets gesehen werden. Denn die von Krämer vorgelegte Karte, die verbleibende Überschwemmungsgebiete nach der Erhöhung des Damms in der Extremvariante 3K darstellt, zeigt sehr drastisch die Überflutungsgefahr, die auch vom zufließenden Hardtwiesenbach ausgeht. Entlang der Grünstorstraße und unterhalb der Klosterstraße stünden bei einem HQ-100-Hochwasser etliche Flächen unter Wasser. Auch hier sind Maßnahmen notwendig, etwa die Öffnung des Einlaufs in die Hardtwiesenbach-Dole, der nicht ausreichend große Wassermassen aufnehmen kann. Auch das Ausräumen der Sole und der Aufstau im Regenrückhaltebecken Katzen sind Optionen. Dipl.-Ing. Stefan Krämer betonte, um verlässlichen Hochwasserschutz für Stetten zu erreichen, brauche es sowohl im Haldenbach als auch im Hardtwiesenbach einen „Gewässerausbau“. Nicht zu vergessen die privaten Objektschutzmaßnahmen der Stettener Grundstückseigentümer.

100 Hektar in Stetten sind versiegelt

Nicht nur die Bachzuflüsse können bei Starkregen Hochwasser erzeugen. Auch die Flächenversiegelung innerorts trägt zum Überschwemmungsrisiko bei. Der Stettener Experte Hans Peter Ruf hat einmal nachgerechnet, dass im Flecken durch Hausdächer, Hofeinfahrten und Straßen rund 100 Hektar dauerhaft wasserundurchlässig sind. Von dort schießt das Regenwasser in einer Größenordnung von 16 Kbm pro Sekunde in den Haldenbach, die Kanalisation – und im Extremfall in die Keller. „Im Gegensatz zu den 5 Kubikmetern pro Sekunde im Bach kommt diese Menge sofort.“

Für OGL-Fraktionschef Andreas Stiene wie auch zahlreiche Ratskollegen sind noch viele Fragen unbeantwortet. Es werde ja immer wieder bemängelt, dass die Bachläufe nicht frei sind. Es gelte hier, die Flächen zu öffnen. Was die frühere Hausmülldeponie im hinteren Haldenbachtal betrifft, müsse geklärt werden, wie sich eine Nutzungsänderung hier auswirken könnte. Für CDU-Fraktionschef Andreas Wersch sind die Quellen der Diakonie in den Brunnenwiesen, die 30 Prozent ihres Wasserbedarfs deckt, höchst schutzwürdig. Bereits beim Hochwasser im April 1994 habe die Befürchtung geherrscht, dass diese wichtigen Quellen gefährdet seien, so der Kernener Feuerwehrkommandant. „Aber angeblich macht der Wasserspiegel einen Bogen darum herum. Ist das so?“. Stefan Krämer musste einräumen, dass er sich mit diesen Detailfragen noch nicht befasst hat.

Quelle: WKZ vom 11.07.2015 / Text: Hans-Joachim Schechinger

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