Mrz 29 2015

Aufruf zur Disziplin beim Geldausgeben

Veröffentlicht von um 12:00 unter Pressespiegel

vom 29.03.2015

Der Gemeinderat hat den Haushaltsplan mit einem kleinen Defizit beschlossen. Drei Fraktionen, CDU, UFW und SPD sprechen gemeinsam über ihr ‚Erfolgsmodell‘ der Zusammenarbeit. OGL und Eberhard Kögel kritisieren die Gemeindepolitik

Der Haushaltsplan für 2015 wird mit einem planmäßigen Fehlbetrag von etwa 49 000 Euro in Kraft gesetzt. Dies beschloss der Gemeinde Kernen am Donnerstag. ‚Wir haben aber den Ehrgeiz, dies auf Null zu drücken‘, versprach Bürgermeister Stefan Altenberger. Andreas Wersch (CDU) kommentierte in einer gemeinsam gehaltenen Haushaltsrede namens seiner Fraktion, der UFW und der SPD: ‚Im Klartext: Wir nehmen weniger Geld ein, als wir derzeit ausgeben, müssen deshalb in den Sparstrumpf greifen, um unseren Verpflichtungen nachzukommen.‘ Es werde daher wieder wichtiger, ‚die Pflichtaufgaben kostenbewusst anzugehen und bei den Freiwilligkeitsleistungen Disziplin zu zeigen.‘ Das soll nichts anderes heißen, als bei Wünschen künftig auch mal ‚Nein‘ zu sagen. Kämmerin Melanie Teflexidis begründet das Defizit unter anderem mit dem Ausfall von einer Million Euro an Gewerbesteuern.

Insgesamt setzte der Gemeinderat Einnahmen und Ausgaben des Jahres in Höhe von mehr als 45 Millionen Euro fest. Davon stehen 12 Millionen im Vermögenshaushalt für Investitionen bereit. Es werden fast 7 Millionen aus der Rücklage entnommen, die zum Jahresende voraussichtlich nur noch 3,5 Millionen Euro enthalten wird. Die Gemeinde bleibt aber schuldenfrei.

Traditionell bewerten die Ratsfraktionen beim Beschluss der Haushaltssatzung nicht nur die Finanzen, sondern die allgemeine Gemeindepolitik. Für CDU, UFW und seine Fraktion hob Hans Peter Kirgis (SPD) Meinungsunterschiede in der Bildungspolitik mit dem Thema Gemeinschaftsschule hervor: ‚Während die SPD-Fraktion zu dieser neuen Schulform tendiert, sprechen sich CDU und UFW für den Erhalt der Realschule am Ort aus. Gemeinsam ist uns, dass wir jeweils das Beste für unsere Schülerinnen und Schüler wollen‘, sagte Kirgis. Sympathien für die Gemeinschaftsschule ließen auch die Räte der OGL und Eberhard Kögel (PFB) erkennen.

Andreas Wersch kündigte auch an, dass weitere Gewerbegebiete ausgewiesen werden sollen, ohne dass sich die drei Fraktionen bereits auf bestimmte Grundstücke festlegten. Hans Dietzel (UFW) wies darauf hin, dass durch einen fraktionsübergreifenden Antrag jährlich 20 000 Euro für das Ortsmarketing bereitgestellt werden. Hans Peter Kirgis stellte Überlegungen von CDU, UFW und SPD zur Debatte, ob eine grundlegende Sanierung des Kindergartens in der Blumenstraße sinnvoll ist oder ob ein Neubau angestrebt werden soll.

Die drei Fraktionen von CDU, UFW und SPD demonstrierten durch die abwechselnd von Andreas Wersch, Hans Dietzel und Hans Peter Kirgis gehaltene gemeinsame Stellungnahme ausdrücklich die überparteiliche Einigkeit der Kernener Bürgervertreter. Die soll ein Zeichen setzen, ‚dass wir parteiliche Interessen hinter uns lassen, um einer an der Sache orientierten Kommunalpolitik den Vorrang zu geben‘, wie Wersch sagte.

Wer Denkanstöße abseits der ausgetretenen Pfade der Kommunalpolitik suchte, wurde fündig in den Reden von Andreas Stiene (OGL) und Eberhard Kögel (PFB), beide schon in der Form ungewöhnlich. Für erstere gibt es die bisher übliche schriftliche Fassung nicht. Sie wird im Internet als Sprachaufnahme, ansonsten in einer Zusammenfassung veröffentlicht. Einzelkämpfer-Gemeinderat Eberhard Kögel wiederum hielt seine Rede in breitem Schwäbisch. Schriftlich legte er immerhin eine ‚Übersetzung ins Hochdeutsche‘ vor, der der Text in unserer Zeitung zugunsten der Allgemeinverständlichkeit folgt.

Andreas Stiene kritisierte die hohen Grundstückserlöse, die im Haushalt eingeplant sind: ‚Der Verkauf des Tafelsilbers kann so nicht weitergehen.‘ Er sagte auch salopp, dass im Gemeinderat bei kleinen Ausgaben, insbesondere für den Umweltschutz und Denkmalschutz, ‚rumgezickt‘ werde, während Kernen im Großen über seine Verhältnisse lebe. Fast nur ‚Brosamen‘ oder ‚Spenden‘ der Landesregierung würden für den Schutz des Bestehenden eingesetzt. Die Förderung der kulturtreibenden Vereine nannte Stiene ‚unterbelichtet‘. Im Vergleich dazu treibe ihm der Gedanke an die ‚Prestigeprojekte‘ der Gemeinde die Schamröte ins Gesicht. Den sozialen Wohnungsbau solle Bürgermeister Altenberger nicht länger an die Kreisbaugesellschaft in Waiblingen abtreten: ‚Hier stiehlt sich die Verwaltung aus ihrer Verantwortung.‘

Kögel schlug vor, an der künftigen Expressbus-Haltestelle ‚Diakonie‘ in Stetten eine Mobilitätsstation mit Pedelec-Verleih ähnlich wie künftig im Fellbacher Bahnhof zu schaffen. Wenn der Pferdehof der Diakonie Stetten auf die Hangweide verlegt würde, könnte dort seiner Ansicht nach neben Parkplätzen für Carsharing sogar ein Altenpflegeheim entstehen. Kernen stellt er sich zukünftig als ‚behindertengerechte Mustergemeinde‘ vor. Bei der Teilhabe an der Gemeinschaft auch für Menschen mit Einschränkungen stehe Kernen aber ‚erst ganz am Anfang der Entwicklung‘.

Provozierend stellte Kögel die Frage: ‚Wie wird ein Bürgermeister unsterblich?‘ Er legte nahe, dass dies nicht durch ‚kommunale Paläste‘ geschehe, sondern wenn er ein lebenswertes Gemeinwesen schaffe mit gegenseitiger Unterstützung der Menschen und Sorge für die Schwächeren.

Kommentar:  Der Preis der Harmonie

Die Haushaltsrede der großen Gemeinderatsmehrheit enttäuscht, weil sie von Allgemeinplätzen lebt und keine neuen Ziele setzt. Weiter so! In diesen zwei Worten lässt sich, zugegeben etwas vereinfacht, die gemeinsame Haushaltsrede der großen Gemeinderatsmehrheit aus CDU, UFW und SPD zusammenfassen. Selbstgefällig haben sich die etablierten zwei Parteien samt der alteingesessenen Wählervereinigung angesichts der Bilanz der jüngst vergangenen Jahre präsentiert, von Stolz erfüllt auf zahlreiche Neu- und Ausbauten öffentlicher Einrichtungen, allen voran das Bürgerhaus. Ob es tatsächlich eine erfolgreiche Politik war, die Rücklage von mehr als 20 Millionen Euro binnen weniger Jahre auf einen Rest von voraussichtlich 3,5 Millionen zu verbauen, daran ist zu zweifeln.

Zumindest finanziell scheint Kernens Kommunalpolitik aber am Ziel: Die Prioritätenliste ist weitgehend abgearbeitet, das Geld ist auch fast weg. Neue konkrete Ziele setzen die Redner von CDU, UFW und SPD kaum, als ob es mit der Einweihung des Bürgerhauses nicht auch neue Projekte abseits der Bagger- und Kranpolitik der vergangenen Jahre geben könnte. Der laut ertönende Ruf nach kürzeren Gemeinderatssitzungen klingt sogar etwas, als seien die Bürgervertreter schlicht erschöpft. Oder ist der Wettbewerb um Zukunftskonzepte ausgeklammert worden, um die Harmonie in einer gemeinsamen Rede beschwören zu können? Dies sollte kein Selbstzweck sein.

Viele Herausforderungen warten jedenfalls auf den Gemeinderat. Dringend ist die Attraktivität und der Fortbestand der verbliebenen weiterführenden Schule zu sichern. Lauter als erträglich ist es an den Durchgangsstraßen. Die Ortskerne sind nicht belebt genug. Die Gemeinde muss sich entwickeln, ohne ihre knappen Freiflächen zu verbrauchen, und vieles mehr.

Quelle: FZ vom 28.03.2015 / Text: Hans-Dieter Wolz

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