Dez 07 2014

AK Asyl redet Flüchtlingen ins Gewissen

Veröffentlicht von um 20:10 unter Pressespiegel

vom 06.12.2014

Ehrenamtliche appellieren an Asylbewerber: Halten Sie sich an die Gesetze! / Heimbewohner schildern Vorgehen der Polizei

Einige der Asylbewerber standen bei der AK-Asyl-Vollversammlung am Donnerstagabend noch merklich unter dem Eindruck der Razzia, die am Morgen auf der Hangweide stattgefunden hatte. Ihren Berichten zufolge ist die Polizei wenig zimperlich mit ihnen umgegangen. Betroffen zeigten sich auch die Ehrenamtlichen vom Arbeitskreis – deren Engagement oft ins Leere läuft.

„Runter, runter“, haben die Polizisten gerufen, erzählt ein junger Asylbewerber aufgebracht in gebrochenem Deutsch. Ungefähr um halb 6 Uhr morgens sei das gewesen, als die Beamten mit Schlagstöcken und Taschenlampen sein Zimmer gestürmt und alles auf den Kopf gestellt hätten. Als er aufgeblickt habe, sei er rüde am Hinterkopf gepackt und nach unten gedrückt worden. Später habe ein Beamter ihm einen Aufkleber an die Jacke gepinnt, auf dem seine Zimmernummer gestanden habe. Ein anderer Mann, der glaubt, die Aktion habe sich in der Hauptsache gegen ihn gerichtet – er steht offenbar im Verdacht, mit Drogen gehandelt zu haben – macht einen frustrierten Eindruck. „Ich habe meine Heimat verlassen, weil ich gefoltert wurde. Ich wollte in einem Rechtsstaat leben“, berichtet er auf Französisch. Die Beamten hätten ihm Blut entnommen, Fotos seiner Narben geschossen und rund 1000 Euro beschlagnahmt, die er sich für das Asylverfahren angespart habe. „Sie sagten, ich dürfe nicht so viel Geld haben, weil ich nicht arbeite.“

Es gab schon lange Gerüchte, dass mit Drogen gehandelt wird

Fast ebenso frustriert wie die Asylbewerber wirkte im Kirchsaal der Hangweide am Donnerstagabend Joe Wagner vom Arbeitskreis Asyl Kernen. Er habe am Morgen per Anruf von einem großen Polizeieinsatz auf der Hangweide erfahren und sofort befürchtet, dass es sich um eine Aktion im Heim handle. In der Vollversammlung wandte er sich mahnend an die rund 20 Flüchtlinge aus der Sammelunterkunft, die im Kirchsaal erschienen waren: „Wir hoffen sehr, dass Sie sich an die Gesetze halten und der Polizei keinen Grund geben, Ihre Zimmer zu durchsuchen.“

Es ist eine Mahnung, die Joe Wagner auch ausgesprochen hätte, wäre es am Morgen nicht zu dem Großeinsatz gekommen. Denn in der Gerüchteküche in Kernen brodelt es seit Monaten, das ist auch dem Arbeitskreis nicht verschlossen geblieben. Vor allem auf das Gerücht, dass auf der Hangweide mit Drogen gehandelt werde, stießen die Ehrenamtlichen immer wieder.

Benjamin Treiber, der junge CDU-Gemeinderat, der eine Laufgruppe mit Asylbewerbern organisiert, macht sich nun Sorgen um unbescholtene Asylbewerber, auf die die Polizeirazzia ein schlechtes Licht wirft. Er hat die aufgeheizten Diskussionen über die Razzia auf Facebook verfolgt. Seine Befürchtung: Jetzt werden alle Bewohner über einen Kamm geschoren.

Dabei sind durchaus engagierte Männer unter den derzeit 49 Asylbewerbern, die versuchen, ihrem Alltag einen Sinn zu geben. Ein Schwarzafrikaner berichtet von seinem Ein-Euro-Job bei der Diakonie und bedankt sich für die Möglichkeit zu arbeiten. Sechs Männer besuchen fünfmal die Woche die Volkshochschule in Waiblingen zum Deutschkurs – weil sie in den Anfängerkursen, die der Arbeitskreis ehrenamtlich organisiert, ein gutes Sprachniveau erreicht haben (siehe Infobox).
Joe Wagner: „Wir sollen Sie nicht wie Kinder behandeln“

Doch – und das frustriert die engagierten Asylhelfer – die Angebote des Arbeitskreises werden bei weitem nicht so gut angenommen, wie es sich die Ehrenamtlichen wünschen. „Uns ist aufgefallen, dass es sehr schwer ist, Ihnen ein Angebot zu machen, ohne Sie abzuholen. Wir wollen Sie aber nicht wie Kinder behandeln“, richtete Joe Wagner seine Forderung nach mehr Eigeninitiative an die Männer. Ein Beratungsangebot sei eingestellt worden, weil niemand zu den Terminen erschienen sei, Einladungen zum Kommunalen-Kino-Abend verhallten unerwidert und auch beim Mittagstisch für alle sei kaum jemand erschienen.

Quelle: Waiblinger Kreiszeitung vom 06.12.2014 / Text: Sebastian Striebich

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