Okt 19 2014

Bodenschutz vom Helikopter aus

Veröffentlicht von um 20:18 unter Pressespiegel

vom 18.10.2014.2014

Der Gemeinderat beschließt, den Wald kalken zu lassen, um die sauren Böden zu neutralisieren

Andreas Wersch, der CDU-Fraktionsvorsitzende im Kernener Gemeinderat, erinnert sich noch: In den 80-er Jahren muss es gewesen sein, als auf dem Höhepunkt der Sorge ums Baumsterben der Kernener Wald erstmals gekalkt worden ist. Leider hat sich damals im Kampf gegen den sauren Boden, entstanden durch Luftschadstoffe aus Verkehr und Heizung, niemand um eine Dokumentation gekümmert. Ob es was genutzt hat, ist nicht bekannt. Jetzt soll im Auftrag von Förster Stefan Baranek dennoch erneut der Hubschrauber fliegen, um ein kalkhaltiges Granulat auszubringen und zu verteilen. Größere Belästigungen sind nicht zu erwarten: Es ist feucht, staubt also nicht.

Der Kernener Förster ist nicht aus seiner Zeit gefallen, und auch das Land Baden-Württemberg nicht, das die Bodenkalkung großflächig vorantreibt. Nicht allein das Baumsterben steht in unserer Zeit im Vordergrund, obwohl der zu saure Boden viele Mikroorganismen ebenso wie Großpflanzen schädigt. Ein naturnaher Zustand des Waldes soll durch die Bodenschutzkalkung wieder hergestellt werden. Die Experten befürchten aber auch, dass ohne diesen Eingriff langfristig das Grundwasser verunreinigt wird. Millimeter um Millimeter sinken die Säuren im Waldboden Jahr um Jahr ab. Wenn sie aber den felsigen Untergrund erreichen, könnten sie dort Aluminium oder Schwermetalle aus dem Gestein herauslösen, und die entstehenden Salze könnten ins Grundwasser geraten. Das soll der Kalk verhindern, der die Säuren neutralisiert. ‚Der PH-Wert, sonst bei 6,5 oder 7 gelegen, also im neutralen Bereich, ist auf 3,2 abgesackt‘, erläutert Stefan Baranek.

Die alten Fehler wird er aber nicht nachmachen. Durch Probenentnahmen wird, bevor der Hubschrauber in den Jahren 2016 und 2017 tatsächlich fliegt, festgestellt, in welchem Zustand die Böden im jeweiligen Waldrevier sind und was sie genau benötigen. Ebenso werden die späteren Erfolge dokumentiert. Vielleicht wird sich durch die Bodenproben im einstigen Kalkungsgebiet sogar zeigen, ob die Aktion in den 80-ern überhaupt etwas genützt hat – eine Frage, die Bürgermeister Stefan Altenberger brennend interessiert, bevor er die erforderlichen 80 000 Euro für die neuerliche Neutralisierung der Säuren im Boden ausgibt.

Zu den Nebenwirkungen fragten die Gemeinderäte in ihrer Sitzung am Donnerstag ihren Forstmann Stefan Baranek: Er hält sie für beherrschbar. ‚Die Risiken der Waldkalkung wie eine kurzfristige Verflachung des Feinwurzelsystems oder eines Nitratschubs durch erhöhten Abbau organischer Substanzen seien mit Hilfe moderater Kalkungsmengen minimierbar‘, heißt es auch in einer Vorlage an den Gemeinderat. Die Kalkpartikel im Granulat sind im Gesteinsmaterial gebunden und werden nur langsam über einen Zeitraum von einem Jahrzehnt freigesetzt, erläuterte Baranek die von ihm befürwortete ‚regenerationsorientierte Bodenschutzkalkung‘.

Betriebsplanung 2015 für den Gemeindewald

Einschlag Weil Förster Stefan Baranek in den vergangenen Jahren eher mehr Holz eingeschlagen hat als geplant, wird er künftig unter dem langjährigen Durchschnitt bleiben und damit unter 2000 Festmetern. Ein Festmeter entspricht einem Kubikmeter fester Holzmasse. Hauptsächlich soll im Gebiet Sandacker gefällt werden. Kulturplan Zusätzlich zu der in Kernen üblichen Naturverjüngung will Förster Baranek 400 Douglasien, 300 Stieleichen und 100 Maronen neu pflanzen. Damit bevorzugt er Bäume, die dem absehbaren Klimawandel trotzen. Für die Fichte gilt das nicht: ‚Die Fichte hat keinen weiteren Platz hier‘, sagt der Förster. Den Douglasien dagegen, vor der letzten Eiszeit in Europa heimisch, wird zugetraut, ein wärmeres Klima zu vertragen, ebenso den Eichen. Diese könnten wegen Verbiss durch Waldtiere und fehlendes Licht nicht auf natürliche Weise nachwachsen. Maronen werden nur entlang der Hauptwege gepflanzt. Sie sollen spätere Generationen von sammelwütigen Erholungssuchenden mit ihren wohlschmeckenden gekochten oder gerösteten Früchten erfreuen. Waldrefugien Sechs Hektar Fläche rund um den Eichensee und in der Steudlesklinge sollen künftig sich selbst überlassen bleiben. Waldrefugien dienen dem Schutz totholzgebundener Arten.

Quelle: Fellbacher Zeitung vom 18.10.2014 / Text: Hans-Dieter Wolz

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