Aug 07 2014

Wer denkt in Kernen noch an Pommern?

Veröffentlicht von um 12:19 unter Pressespiegel

vom 06.08.2014

Die Gemeindeverwaltung hängt ein Straßenschild mit falschem Namenszug auf

Die Pommerstraße im Kernener Ortsteil Stetten ist wohl eine der ältesten Straßen im Flecken. In den alten Flurkarten oder in Brandschadensakten taucht sie seit 200 Jahren immer wieder als ‚In den Baumgärten‘ / ‚Bohmergarten‘ / ‚Pommergasse‘ oder nunmehr seit längerem als ‚Pommerstraße‘ auf. Wahrscheinlich ist sie sogar noch viel älter. Auch in den im Auftrag der Gemeinde Kernen vom früheren Gemeinderat Walter Leibbrand herausgegebenen Ortskarten ist diese Straße so benannt.

Das von der Gemeindeverwaltung seit einigen Wochen aufgehängte Schild an der Kreuzung mit der Grüntorstraße weicht davon ab. „Dies scheint aber eher eine Reminiszenz an die seit 1945 verlorenen Ostgebiete zu sein“, sagt der CDU-Gemeinderat und Fraktionsvorsitzende Andreas Wersch etwas spitz. ‚Pommernstraße‘ oder sogar, etwas verschämt abgekürzt, ‚Pommernstr.‘, prangt da „etwas traurig“, wie Wersch empfindet, am Laternenpfahl als Wegweiser in das Neubaugebiet ‚Kleines Feldle III‘. Wie sich schon an den älteren Namen als ‚In den Baumgärten‘ oder ‚Bohmergarten‘ als Vorstufen der ‚Pommerstraße‘ zeigt, ist der Name nicht unbedingt von den verlorenen Ostgebieten Pommern abgeleitet.

Ob die Gemeindeverwaltung Kernen ihren offenbar aus Ortsunkundigkeit geschehenen Fehler schon bemerkt hat? „Hoffentlich“, schreibt Andreas Wersch, dem dazu ein vertrauter Reim einfällt. „Pommerland ist schließlich abgebrannt, wie es in dem Kinderreim heißt?“ Immerhin wäre der Fehler in diesem Fall leicht zu korrigieren – mit einem bloßen Schilderwechsel ohne weiteren behördlichen Vorgang.

Beim anderen Anachronismus, der Stettener Hindenburgstraße, wäre schon ein Gemeinderatsbeschluss nötig. Die gehört dringend umbenannt, nachdem jetzt während des Gedenkens an den 1. Weltkrieg auch die Rolle der deutschen Militärführung als wesentliche Kriegstreiber erneut thematisiert worden ist. Paul von Hindenburg, dessen 80. Todestag kürzlich war, war von 1916 bis 1918 Chef der Obersten Heeresleitung, brach den uneingeschränkten U-Boot-Krieg vom Zaun und lehnte einen Verständigungsfrieden ab. „Nach einem solchen Kriegsverbrecher sollte eigentlich keine Straße benannt sein“, sagt dazu der Stettener Heimatforscher und inzwischen ebenfalls Gemeinderat, Eberhard Kögel. Vielleicht ist diese, ursprünglich von den Nationalsozialisten vorangetriebene Straßenbenennung, ebenfalls noch zu korrigieren.

Quelle: FZ vom 06.08.2014 / Text: Hans-Dieter WolzFZ vom 06.08.2014 / Text: Hans-Dieter Wolz

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