Apr 26 2014

Neues Ortsmarketing für Kernen?

Veröffentlicht von um 15:33 unter Pressespiegel

vom 26.04.2014

Gemeinderatswahl am 25. Mai – acht Kandidatinnen und Kandidaten beackern ein holpriges kommunalpolitisches Forum

Was kann Ortsmarketing zum Wohl des Kernener Einzelhandels bewirken? Diese Frage beschäftigt Freundliches Kernen und den Gewerbeverein jetzt umso mehr, als Aldi der Gemeinde mit einem freiwilligen Zuschlag auf den Bauplatzpreis stattliche 200 000 Euro bereitstellt. Der Einkaufsstandort Kernen beschäftigte auch unsere Kandidatenrunde zur Gemeinderatswahl.

Jede der fünf Kernener Wahllisten sollte eine Bewerberin und einen Bewerber zum ZVW-Kandidatengespräch entsenden. Eines der Themen, das unter den Nägeln brennt: Kernener Ortsmarketing. Dass Aldi die von Verwaltung und Gemeinderat einst erhofften Synergien für den Kernener Einzelhandel generieren wird, bezweifeln die kommunalpolitischen Neulinge fast durch die Bank. Josef Gschwandl (UFW): „Wenn ich nach Endersbach oder nach Waiblingen zum Aldi gehe, dann gehe ich zum Aldi und fahre wieder heim. Dann gehe ich deshalb nicht in die Innenstadt.“ Dorothee Bicheler (CDU) pflichtet ihm bei: „In den Discounter gehe ich zum Großeinkauf, dazu brauche ich Parkplätze.“ Und die gebe es eben massenhaft in den Spitzäckern, während sie, wie Elisabeth Linge (SPD) beklagt, in den Ortskernen von Rommelshausen und Stetten fehlten. Stimmt, urteilt Andreas Niederle (CDU), „die leichte Zugänglichkeit zu den Läden, das ist der Schlüssel.“

Das Einkaufs-Plus in Stetten: Die fußläufige Nähe

Hanspeter Ruff (PFB) hat die Mär von den Synergien für den Einzelhandel eh nie geglaubt. Die Stettener brauchten den Discounter freilich nicht, sie seien zufrieden mit ihrem Rewe, sagt er. „Die, die ein Auto haben, können zum Mack fahren, weil sie es sich leisten können, oder vielleicht auch zum Aldi. Aber die, die in Stetten mit dem Rollator kommen, die können noch vor Ort einkaufen. Das sind nicht wenige, und das werden immer mehr.“ Die fußläufige Nähe sei, neben dem Sortiment, das große Plus.

Lässt man den vermeintlichen Synergiebringer außen vor, wie lässt sich dann die Attraktivität des Einzelhandelsstandorts Rommelshausen auffrischen? „Sehr schwierig“ runzelt Dieter Klenk (SPD) die Stirn, „die räumlichen Gegebenheiten sind ja gar nicht da, was die Ladenfläche angeht.“ Es fehle aber nicht nur Fläche. Kunden, die mehr suchen als Discountware, erwarteten ein attraktives Sortiment, kompetenten Service. Dieter Klenk wohnt fast 40 Jahre in Rommelshausen und findet, „das Angebot ist rapide zurückgegangen, es gab mal ein Haushaltswarengeschäft, es gab einen Schuhmacher, mehrere Metzger, es gab vieles“. Elisabeth Linge nickt: „Außer Lebensmittel haben wir keine Fachgeschäfte mehr, das ist das Problem.“

Mitbewerber Andreas Niederle von der CDU warnt vor Illusionen. Der generelle Strukturwandel im Einzelhandel lasse auch Rommelshausen nicht unberührt. „Man sollte die Dinge nicht vermischen, es ist illusorisch, wenn man meint, dass man alle Haushaltsprodukte noch vor Ort bekommt. Wenn ich durch Rommelshausen fahre, empfinde ich es aber auch nicht als leer, sondern als geschäftig. Da ist das Potenzial da, dass sich in dem angedachten Zentrum rund ums Bürgerhaus was tun kann.“

Zu bedenken sei, findet Dorothee Bicheler, dass Einkaufen heute mehr sei als nur Besorgungen erledigen. Einkaufen sei Freizeit-Event. „Sie wollen gucken, etwas essen, das ist ein Gesamtpaket. Das wird man in Rommelshausen wahrscheinlich so nicht hinkriegen.“ Die Gemeinderats-Aspiraten erwarten von der sichtbaren Umgestaltung der Ortsmitte aber eine gestalterische Aufwertung, welche die Aufenthaltsqualität fördern könne. Behaglichkeit, Lust zum draußen sitzen. Ein erster Schritt.

Wann kommen die geöffneten Läden am Mittag und Abend?

Ladenöffnungszeiten für Berufstätige: In Rommelshausen versprochen, aber immer noch nicht eingelöst. Die Heilpraktikerin und Physiotherapeutin Elisabeth Linge ist auf geöffnete Geschäfte in der Mittagspause und abends angewiesen. „Das kann ich in Rommelshausen außer im Edeka nicht. Diese Öffnungszeiten sind für manche sehr, sehr schwierig. Viele würden nicht in Stuttgart einkaufen, wenn das besser geregelt wäre.“ Josef Gschwandl fasst das Thema noch etwas weiter: „Das Problem in Rommelshausen ist die Zusammenarbeit der einzelnen Unternehmer. In Winterbach machen sie gemeinsame Aktionen. Das fehlt in Kernen. Wir haben einen Gewerbeverein und Freundliches Kernen, die sich mehr oder weniger gegeneinander bewegen.“

Mit den von Aldi spendierten 200 000 Euro solle, findet Gschwandl, eine von beiden Vereinen eingesetzte Kraft gezielt „Synergien schaffen“. Alice Neumann (UFW), selbstständige Reiseverkehrskauffrau, stimmt zu. Sie erinnert an „Kernen aktiv“ und die Probleme, die selbstständige Geschäftsleute damals hatten, sich neben ihrem normalen Betrieb an der Organisation der Aktionen zu beteiligen. „Da müsste jemand da sein, der das in die Hand nimmt.“

Christof Leibbrand (OGL) schüttelt den Kopf: „Was braucht es da öffentliches Geld? Die Frage ist doch, ob Gewerbetreibende, wenn sie davon profitieren, das nicht selber machen müssen.“ Aus Leibbrands Sicht sollte man die Mittel besser ins Gemeindemarketing stecken, in ein Konzept, das Gesamt-Kernen neu positioniert: „Stetten etwa könnte das Schloss touristisch besser ausbauen, da ja die Diakonie immer weniger Raumbedarf hat. Stetten ist schön mit der Glockenkelter, aber man muss es auch vermarkten.“ Elisabeth Linge hat mit dem touristischen Ansatz ein Problem: „Was hat dann Rommelshausen zu bieten?“

Ackerland gegen Gewerbesteuer – Das Streitthema Schmidener Feld

Der Streit um die Erweiterung der Gewerbeflächen in den Langen Furchäckern treibt auch die Wahlkämpferinnen- und kämpfer um. Das Problem im Schmidener Feld bestehe doch darin, so Christof Leibbrand, „dass es hervorragender Boden ist, den es so nirgendwo anders gibt. Das gebietet der Entwicklung Einhalt. Wenn man sich weiterentwickeln will, dann muss man gucken, wo man es sonst machen kann.“ Auch auf das Risiko hin, dass Kernen Geld in die Hand nehmen müsste, neue Infrastruktur zu schaffen: „Wir müssen davon weggehen, Industrie und Gewerbe auf fruchtbare Böden zu stellen“, ein Appell, den Hanspeter Ruff ergänzt: „Wir diskutieren zwei Sachen: erstens das Thema Ackerboden, dann die Frage: Müssen wir denn überhaupt Gewerbegebiete in diesem Stil erweitern?“ Der Stettener Schiemer gegenüber der Großbäckerei Wohlgemuth sei als Gewerbefläche ja längst ausgewiesen.

Es gebe hektarweise Gewerbebrachen in beiden Ortsteilen, zitiert Ruff das Resultat einer PFB-Umfrage: „Häuser, die man wegreißen könnte, die man in einem Mischgebiet für intelligentes Gewerbe ohne weiteres verwenden könnte.“ Er, Ruff, plädiere für eine Konsolidierung des Ist-Zustandes an Gewerbeflächen. Würden zehn Hektar zugepflastert, entstünden 50 Prozent versiegelte Fläche, für die es einen zusätzlichen Kanal brauche, der vier bis fünf Kubikmeter Schmutzwasser bei einem mittleren Regenereignis ableiten kann. Klammheimlich werde dafür jetzt Geld eingestellt für Kläranlagen, die alle zu klein seien.

Das sei ein zweischneidiges Schwert, wendet Dieter Klenk ein. „Die SPD hat dazu eine Position bezogen, zu der ich auch stehe. Auf der anderen Seite habe ich eigene Erfahrungen gemacht, was Grund und Boden bedeutet für eine wirtschaftliche Entwicklung.“ Zwei von drei Firmen, in denen er gearbeitet habe, seien an einer Immobilienfrage gescheitert, weil sie nicht expandieren konnten. 300 Arbeitsplätze seien dabei verloren gegangen. „Man muss als SPD auch sehen, dass Arbeitsplätze im Ort geschaffen werden. Das ist wichtig, wenn man den Pendlerverkehr vermeiden will. Wo das stattfindet, ist aber wieder eine andere Geschichte.“ Es reiche zudem nicht, kostbare Ackerböden zu erhalten. Landwirte benötigten aus der Bewirtschaftung solcher Flächen auch ein auskömmliches Einkommen.

Auch Andreas Niederle sieht Bedarf: „Sie müssen Unternehmen, die sich erweitern, Perspektiven bieten. Es gibt Unternehmen, die gehen daran zugrunde, dass sie sich nicht verändern können – oder sie wandern ab.“ Kernen dürfe nicht nur von den fünf Hauptgewerbesteuerzahlern abhängen.

Quelle: WKZ vom 26.04.2014 – Hans-Joachim Schechinger

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