Feb 01 2014

Kernener Grüne glauben sich gemobbt

Veröffentlicht von um 17:04 unter Pressespiegel

vom 01.02.2014

Rundumschlag der OGL-Fraktion in der jüngsten Ratssitzung: CDU, UFW und SPD wollten sie bei ihren gemeinsamen Haushaltsanträgen nicht dabeihaben

Eklat im Kernener Gemeinderat: Dass SPD, UFW und CDU heuer die OGL-Fraktion von interfraktionellen Haushaltsanträgen ausschlossen, deuten die Grünen als „kollektive Strafaktion“ für die Aufnahme des SPD-Aussteigers Paul A. Eißele in ihren Reihen. Bettina Futschik, Walter Rall und Andreas Stiene prangerten undemokratisches Mobbing an. Sie irren aber beim Motiv.

Unter Tagesordnungspunkt Anfragen und Anregungen gingen die Kernener Grünen in der jüngsten Ratssitzung zum Angriff über. Die Schlachtordnung: Hier die OGL, dort die Bösen der „GroGroKo“. CDU, SPD und UFW hatten laut OGL-Fraktionssprecher Stiene versucht, seine Fraktion auszugrenzen, ja in Form eines „Shitstorms“ an den Pranger zu stellen. Nicht nur öffentlich greifbar an den interfraktionellen Haushaltsanträgen, die heuer ohne grüne Unterschriften sind. Auch atmosphärisch und im persönlichen Umgang miteinander, wie Andreas Stiene in anklagendem Ton sagte: Die Fraktionen würden seit einiger Zeit, bis auf wenige Ausnahmen, jeglichen Kontakt vermeiden – „als wären sie eine Mauer des Schweigens. Diese Form der Absprachen in Hinterzimmern und das Gemauschel sind mir persönlich zutiefst zuwider.“ Walter Rall: Was ist an unserem Verhalten so undemokratisch?

Dies alles deutet die OGL als kollektive Vergeltungsmaßnahme der Kernener „GroGroKo“, die sich für die Aufnahme des SPD-flüchtigen Paul Alexander Eißele revanchiert habe. Als Gast verstärkt der Stettener Ex-Jungsozialist seit Anfang Dezember die Reihen der Grünen. Wie berichtet, hatte Fraktionschef Stiene in der Ratssitzung vom 5. Dezember triumphierend erklärt, die Fraktion wolle sich mit Eißele in den noch verbleibenden Monaten bis zur Gemeinderatswahl 2014 für nachhaltige und zukunftsfähige Konzepte einsetzen, die das Leitbild der Gemeinde Kernen unterstützen und die kommunalen Ressourcen schonen. Die OGL war nach Eißeles Übertritt mit fünf Mitgliedern zur drittstärksten Fraktion aufgerückt.

Klartext reden. Ein enttäuschter Walter Rall, der sich nicht mehr zur Wahl stellen wird, startete den Angriff. „Der Grund ist Eißele. Was ist an unserem Verhalten undemokratisch, dass wir so ausgegrenzt werden?“ Das Benehmen der Ratskollegen, das bewusste Ausklammern der OGL beim Stellen gemeinsamer Anträge sei nicht „vereinbar mit der Ehrlichkeit und Offenheit“, die im Gremium bis dato nach außen hochgehalten wurden, klagt Rall.

Auch Fraktionskollegin Bettina Futschik reagierte empört. Sie spielte auf die Forderung der SPD an, Paul A. Eißele hätte nach dem Zerwürfnis in der Fraktion sein Mandat zurückgeben müssen. „Wenn ich nicht mehr zu meiner Fraktion stehen kann oder meine Fraktion nicht mehr zu mir, dann habe ich – so wie auch alle anderen Mitglieder dieses Gremiums – das Recht, die Fraktion zu verlassen und mir einen neuen Platz in diesem Gremium zu suchen.“ Sie habe sich darüber gefreut, so Futschik, dass Eißele als Gast in ihrer Fraktion mitarbeiten wolle, doch genau dafür seien sie und die OGL nun abgestraft worden. Damit, dass die Kollegen der „GroGroKo“ sich das Recht herausnehmen, gemeinsame Anträge ohne die OGL zu stellen, habe sie kein Problem. Doch dass sich die politische Konkurrenz erdreiste, zu bestimmen, was richtig und was nicht richtig, folgerichtig strafwürdig ist, sei mit ihrem Verständnis von Demokratie nicht zu vereinbaren.

Den moralischen Rundumschlag der Grünen, der auch Presse und Gemeindeverwaltung nicht verschonte, quittierten die Adressaten mit ungläubigem Achselzucken. Die SPD ist logischerweise bis heute stocksauer auf die Grünen. Tatsächlich empörten sich aber auch etliche in CDU und UFW über die OGL, nicht, weil Eißele bei ihr Unterschlupf fand, sondern über die demonstrativ triumphierende Art, in der Andreas Stiene ihn als Gast der Fraktion im Gemeinderat präsentiert hatte. „Das hat uns verärgert“, urteilte CDU-Fraktionschef Andreas Wersch gestern, „die unsolidarische Erklärung von Stiene. Dass man der SPD noch eine Schippe mitgibt. Wir haben das als unfair empfunden: der SPD eine Stimme weggenommen und dann noch sagen: Ätsch!“ Es habe geklungen wie bei einer Pressekonferenz, „wenn der FC Bayern einen 50-Millionen-Spieler verpflichtet“.

Eißele hatte auch bei der CDU angeklopft

Dieter Binder: Das Thema ist nicht Eißele, da wird etwas vermengt. Genau dies meinte Dieter Binder in seiner Widerrede. Anlass für das Ausklammern der OGL bei gemeinsamen Anträgen sei nicht Eißele gewesen. „Der Hintergrund für uns ist ein ganz anderer: Das wird hier vermengt.“ Vor allem aber: Rechtlich sind alle Haushaltsanträge in Ordnung, wie auch Schultes Stefan Altenberger klarstellte: „Es war grenzwertig, aber nicht so, dass ich mich einmischen müsste.“

Für CDU-Mann Andreas Wersch machen die entrüsteten Schuldzuweisungen durch die OGL, für etliche im Gremium schon inszeniert zum anlaufenden Kommunalwahlkampf, „aus einer Mücke einen Elefanten“. Umso mehr, als Eißele auch bei der CDU angeklopft, um Rat, sogar um Unterschlupf in der Fraktion angefragt hatte, wie Wersch berichtet. „Ich habe ihm geraten, das Gespräch in der SPD-Fraktion zu suchen, um das vom Tisch zu bringen. Ich sagte, es wäre nicht klug, wenn er die Seite um 180 Grad wechseln würde.“ Gefragt hatte der 24-Jährige damals den erfahrenen CDU-Politiker Wersch, ob er denn jetzt sein Mandat niederlegen müsse. Wersch: „Nein, dazu besteht kein Grund!“

Martin Weiß, Vize-Fraktionschef der UFW, ist irritiert über die Volte der Grünen, zu denen er gute menschliche Kontakte gepflegt habe. „Die Situation ist nicht so, dass man die Grünen außen vor haben will. Ich verstehe die Grünen. Ich verstehe aber auch die andern: Für die war es ein erhobener Zeigefinger, mal darüber nachzudenken, wie es gelaufen ist.“ Er fürchte, sagt Weiß, dass die Gräben jetzt noch viel tiefer geworden sind. Das tue ihm leid.

Quelle: Hans-Joachim Schechinger, WKZ vom 01.02.2014

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