Apr 08 2013

Für Sie gelesen: „Teuer für die Mitte“

Veröffentlicht von um 20:42 unter Aktuelles

Stuttgarter Nachrichten vom 5. April 2013; Leitartikel von Willi Reiners

Man muss nicht reich sein, um für rot-grüne Steuerpläne zu bluten

Ein Gespenst geht um in Deutschland. Es ist das Gespenst vom armen Staat. Es heult und klappert mit den Zähnen und will uns glauben machen, dass es kein Geld hat. Sollten Sie dieses Gespenst treffen: Glauben Sie ihm nicht! Der Staat ist nicht arm. Das Gegenteil ist richtig. Der Staat schwimmt im Geld. Im vergangenen Jahr hat er so viele Steuern eingesammelt wie noch nie. Es waren 616 Milliarden Euro.

Könnte es also sein, dass das viele Geld für die falschen Dinge ausgegeben wird? Und deshalb nichts übrig ist für Investitionen, die wirklich wichtig sind, etwa in marode Schulen, Universitäten und Straßen? Politiker gehen solchen Fragen gern aus dem Weg. Die Ausgaben den Einnahmen anzupassen, sprich: zu sparen, ist nicht populär. Und in einem Wahljahr schon gar nicht. Also werden teure Sozialleistungen wie das Elterngeld auch dann nicht wieder gestrichen, wenn sie keine Wirkung zeigen. So kommt es, dass der Ruf nach Mehreinnahmen immer deutlicher ertönt, obwohl der Staat gar kein Einnahmeproblem hat.

SPD und Grüne sind ganz vorn dabei. Da bald die Schuldenbremse greift, wollen sie bei einem Wahlsieg die Reichen zur Kasse bitten und den Spitzensteuersatz von 42 auf 49 Prozent anheben. Diese Forderung ist ziemlich populär in Zeiten, da jede Woche gefühlt mindestens ein neuer Armutsbericht präsentiert wird. Und regelmäßig über die Steuertricks der Superreichen berichtet wird. Allerdings verschweigt Rot-Grün ein paar wichtige Details. Ein höherer Spitzensteuersatz, der mal ab 80 000 Euro (Grüne), mal ab 100 000 Euro (SPD) greifen soll, würde nicht nur Reiche belasten. Wegen des progressiven Einkommensteuertarifs sind bei den Grünen bereits Einkommen ab 60 000 Euro dabei, bei den Roten ab 64 000 Euro.

Mit anderen Worten: Nicht nur für Großverdiener, auch für die leistungsbereite Mitte der Gesellschaft würde Rot-Grün teuer. Inzwischen stimmen selbst Spitzen der Union wie die Saar-Ministerpräsidentin in das Lied derer ein, die mehr Gerechtigkeit mit der Einkommensteuer verordnen wollen. Annegret Kamp-Karrenbauer votierte jüngst ebenfalls für höhere Steuern, forderte aber gleich einen Spitzensatz von 53 Prozent. Geht’s noch? In den 50er Jahren griff der Spitzensteuersatz, wenn jemand das 20-Fache des Durchschnitts verdiente. Heute reicht das Eineinhalbfache des Durchschnittsentgelts von 32 000 Euro, um wie ein Großverdiener zur Kasse gebeten zu werden.

Die oberen zehn Prozent der Einkommensbezieher zahlen schon jetzt mehr als die Hälfte der Einkommensteuer. Derweil die unteren 50 Prozent nur fünf Prozent des Aufkommens bringen. Da kann keiner behaupten, die Umverteilung zwischen denen, die mehr, und denen, die weniger mit dem Einsatz ihrer Arbeitskraft verdienen, funktioniere nicht. Und mit Steuern allein ist es ja nicht getan. Sozialabgaben kommen hinzu. Einem Alleinstehenden ohne Kinder mit mittlerem Einkommen bleibt nur die Hälfte vom Brutto. Im Vergleich der OECD-Länder schlägt nur Belgiens Umverteilungsmaschine noch brutaler zu.

Auch für Arbeitnehmer mit Familie und zwei Kindern ist die Belastung vergleichsweise hoch. Mehr geht einfach nicht. Oder doch? Rote und Grüne beharren auf ihrer „Gerechtigkeitslücke“, aber längst nicht nur sie. Dabei wäre es leicht, für mehr Gerechtigkeit zu sorgen. Mit dem sauer verdienten Geld anderer Leute besser zu wirtschaften wäre ein Anfang.

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmst du der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.

Schließen