Mrz 06 2012

Tempo 30 in Stetten – ein Pyrrhussieg?

Veröffentlicht von um 22:47 unter Pressespiegel

vom 06.03.2012

CDU-Fraktionschef Wersch: Beruhigungspille für drohenden Lkw-Verkehr / SPD-Sprecher Kirgis: Übers Ziel hinausgeschossen

Erfolglos hatte der Kernener Gemeinderat jahrelang ein Tempo-30-Limit für einen Teilabschnitt der Stettener Ortsdurchfahrt gefordert. Seit gestern ist es da. Sogar durchgängig. Die Anlieger zwischen Endersbacher Straße und Lange Straße jubeln, Autofahrer fluchen. Auch CDU und SPD halten die Verkehrsregelung für des Guten zu viel. Für Andreas Wersch ist das Tempolimit ein Köder, damit Kernen den ab April drohenden Lkw-Verkehr schluckt.

Die Anlieger an der Landesstraße 1199 in Stetten werden aufatmen: Seit gestern stehen dort Tempo-30-Schilder. Was Regierungspräsident Johannes Schmalz jedoch Anfang Februar zu dem Kurswechsel in Sachen Tempolimit bewog, wird erst klar, wenn man die Begründung des Landratsamtes liest. Schmalzls Pressesprecher Peter Zaar hatte zwei Tage, bevor sein Chef am 9. Februar ein durchgängiges Tempo-Limit ausrief, erklärt, mehr Schwerlastverkehr wegen der Schließung der Schurwaldübergänge befürchteten seine Verkehrsexperten nicht. Die Folgen seien im Nachgang zu prüfen. Gegebenenfalls müsse nachgesteuert werden. Fest steht: Ab 1. April werden im Rahmen des Lenkungskonzepts alle Lkw mit über zwölf Tonnen nur noch via Stetten den Schurwald passieren können.

Aber auch die von Kernen seit Jahren für einen Teilabschnitt gewünschte Geschwindigkeitsbeschränkung stehe aktuell nicht an, sagt Zaar damals. Dazu brauche es neue Zahlen. Zum Kriterienkatalog zählten die Verkehrsfrequenz, die Schall- und Abgas-immissionen. Da zuletzt bei Messungen diese Grenzwerte nicht überschritten wurden, sei ein Tempo-Limit derzeit kein Thema. Zwei Tage später avisierte Johannes Schmalzl durchgängig Tempo 30 für Stetten. Der öffentliche Druck, den die Fraktionen zwischenzeitlich in einer gemeinsamen Erklärung erzeugt hatten, dürfte eine Rolle gespielt haben. Allerdings pochte der Gemeinderat hier nicht auf Tempo 30, sondern auf die Schließung des Stettener Schurwaldpasses für Lkw über 12 Tonnen.
Für SPD und CDU hat das Geschenk aus Stuttgart ein Gschmäckle. Nicht nur, weil der Gemeinderat ein Tempolimit nur auf dem unfallträchtigen, schwer einsehbaren Teilabschnitt zwischen Grüntorstraße und Rotenbergstraße wollte, was die Erschließung des Kleinen Feldle III erleichterte. CDU-Fraktionschef Andreas Wersch sagte gestern: „Für mich hat das einen Touch: Der Gemeinderat begehrt auf, dem werfen sie einen Brocken hin.“ Ohnehin seien Autofahrer in der Langen Straße zum Lücken-Hopping gezwungen. Tempo 30 halte die CDU-Fraktion dort nicht für gangbar. „Ich fürchte, dass das Landratsamt jetzt kontrolliert und abkassiert.“ Schwerlaster, die in der Endersbacher Straße künftig per Motorbremse ihre Geschwindigkeit regeln, würden den Lärmpegel spürbar erhöhen.

SPD-Fraktionschef Kirigs: Wir können jetzt nicht Nein sagen

Auch der Kernener SPD-Fraktionschef Hans-Peter Kirgis hat Bauchschmerzen mit der durchgängigen Tempo-30-Variante. „Das entspricht nicht ganz dem, was wir wollten. Wir können jetzt aber, nachdem wir zehn Jahre gegen die Wand gerannt sind, nicht sagen: Alles oder nichts, wir verzichten ganz drauf. Da machen wir uns unglaubwürdig.“ UFW-Mann Dieter Binder dagegen findet die Marschrichtung gut, im Prinzip: „Wenn man Tempo 30 ganz kriegt, dann nimmt man es. Stellt sich später heraus, dass man es nicht durchgängig braucht, kann man wieder verkürzen.“ Fürs Verfahren malt er aber dieses Bild: „Streicheleinheiten, um uns ruhigzustellen. Und unten haut man einem in die Füße rein.“

Fürs Landratsamt, das die Aufstellung der Verkehrsschilder angeordnet hat, ist sie Teil des Lenkungskonzepts. Der Leiter des Geschäftsbereich Straßen, Siegbert Doring, teilt mit: „Die Anordnung einer Beschränkung auf Tempo 30 in Stetten erfolgte in Rückkopplung mit dem Regierungspräsidium Stuttgart. Diese Geschwindigkeitsbeschränkung ist nicht isoliert zu betrachten, sondern als Teil des Lkw-Lenkungskonzepts Schurwald, das notwendig wurde durch das Lkw-Durchfahrtverbot in Stuttgart.“ Daher sei sie nicht zu vergleichen mit früheren Bemühungen um ein Tempolimit in Stetten, für das einzeln betrachtet die Voraussetzungen, wie hoher Lärmpegel oder Unfallschwerpunkte, fehlten.

Im Herbst 2011 seien Verkehrserhebungen für die Schurwaldübergänge vorgenommen worden. „Auf der Strecke durch Stetten ergaben sie keine überdurchschnittliche Belastung durch Schwerverkehr, also Fahrzeuge ab 3,5 Tonnen. Dessen Anteil am Gesamtverkehrsaufkommen war mit 2,9 Prozent gering. Und der Anteil der Lastzüge und Sattelschlepper lag mit einem Prozent deutlich unter den Werten der anderen Schurwaldübergänge.“ Um aber dieses verbleibende Schlupfloch durch die Sperrungen andernorts „nicht interessant“ zu machen, habe der Arbeitskreis beim Regierungspräsidium flankierende Maßnahmen besprochen. „Eine davon ist die Geschwindigkeitsbeschränkung auf Tempo 30 in der Ortsdurchfahrt Stetten.“

Quelle: Waiblinger Kreiszeitung vom 06.03.2012 / Text: Hans-Joachim Schechinger

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