Mrz 29 2012

Gedenktafel für Zwangsarbeiter?

Veröffentlicht von um 07:52 unter Pressespiegel

vom 28.03.2012

Der Stettener Ebbe Kögel regt eine Tafel an der Glockenkelter an / Wersch will anderen Ort

Der Stettener Ebbe Kögel will die bevorstehende Einweihung der Glockenkelter als Gelegenheit nutzen, jener Menschen zu gedenken, die während der NS-Diktatur in Kernen Zwangsarbeit leisten mussten. Sein Vorschlag: eine Gedenktafel an dem sanierten Gebäude, in dem unter den Nazis etwa 50 Personen untergebracht waren. Schultes Altenberger will das Thema erst mal im Gemeinderat erörtern.

Der Antrag des Allmende-Vorsitzenden Ebbe Kögel bedarf laut Schultes Altenberger eingehender Beratung. Am 21. April wird die sanierte Glockenkelter feierlich eingeweiht werden. In dem Kulturdenkmal gibt es bereits eine Gedenktafel, die an die hier einquartierten circa 50 Personen erinnert. Teilweise waren es ganze Familien aus den damaligen Sowjetrepubliken, vorwiegend aus dem Baltikum, die laut Kögel in den Stuttgarter Krankenhäusern im Schloss arbeiten mussten. Stefan Altenberger sagte gestern, „wenn wir eine Tafel anbringen, müssen wir genau überlegen, was wir draufschreiben. Das muss stimmig sein.“ Mit dem Gemeinderat würde er auch gerne darüber diskutieren, „ob überhaupt eine Tafel ran muss oder nicht, denn es gab ja 2004 schon eine eingehende Aufbereitung des Themas“.

Die in Kernen untergebrachten Zwangsarbeiter waren nicht nur in der Glockenkelter einquartiert. Die in der Landwirtschaft eingesetzten Fremdarbeiter lebten laut Kögel in Familien, die kriegsgefangenen Franzosen im ehemaligen Gasthaus „Löwen“, die Zwangsarbeiterinnen und -arbeiter der Firma Rüsch in den Ziegelwerken beim Bahnhof Waiblingen. „Alle unter erbärmlichen Zuständen“, wie Kögel betont. Seiner Ansicht nach wäre es an der Zeit, auch bei der Firma Rüsch – heute Teleflex – in Rom eine Erinnerungstafel anzubringen.

Kögel will nun die anstehende Einweihung als Gelegenheit nutzen, „an der Glockenkelter eine Gedenktafel für diese ZwangsarbeiterInnen und ihren Beitrag zur Stettener Wirtschafts- und Weinbaugeschichte anzubringen. Dies wäre auch eine späte Würdigung ihrer Opfer und Leiden und ein Beitrag zur Völkerverständigung.“ Zur Einweihung der Plakette sollten, so schreibt er, soweit möglich Nachkommen der Zwangsarbeiter und -arbeiterinnen eingeladen werden. Von den Franzosen seien ja schon Nachkommen gefunden.

Stalin schickte sie in die Gulags

„Vielleicht wäre es auch noch mal sinnvoll, Nachforschungen nach den Ukrainerinnen der Glockenkelter anzustellen“, schreibt Kögel. „Einige haben ja holländische Zwangsarbeiter geheiratet und sind nach Südamerika ausgewandert – da gibt es vielleicht noch Nachkommen. Die anderen hatten ein furchtbares Schicksal, da sie nach ihrer Zwangsrückkehr in die Sowjetunion von Stalin als ,Vaterlandsverräter’ in die sibirischen Gulags geschickt wurden.“ Bei den Namen setzt Altenberger ein Fragezeichen. Wenn überhaupt eine Tafel, sei doch die Frage, ob der Text allgemein an die Zwangsrekrutierten erinnern oder ob er detailliert Namen auflisten solle, „denn das, was draufsteht, muss belegbar sein“.

CDU-Fraktionschef Andreas Wersch sagte gestern, „wir waren uns im Gremium einig: Das Ansinnen ist richtig, aber der Ort ist der falsche. Mit dem Text im Innenbereich der Glockenkelter wird dem Anliegen Genüge getan, ohne dass ich da etwas verharmlosen wollte.“ Wersch schwebt eine ortsteilübergreifende Gesamtschau vor, „in der das würdig und ehrlich rüberkommt“. Der von Kögel verfasste Text sei ihm zu wenig differenziert. „Wenn, dann sollten wir etwas finden, was allen gerecht wird.“

Ebbe Kögel schlägt einen längeren Text für die Tafel vor, den wir in Auszügen zitieren: „Ab 1939 überzogen Hitlers Armeen ganz Europa mit Krieg, um den Überlegenheitsanspruch einer ,arischen’ Herrenrasse durchzusetzen und ,Lebensraum im Osten’ zu schaffen. Weil dafür Millionen von Soldaten benötigt wurden, fehlten an der damals sogenannten Heimatfront die Arbeitskräfte. Deshalb wurden während der NS-Diktatur ungefähr 10 Millionen Menschen als ZwangsarbeiterInnen nach Deutschland verbracht . . . In unserer Gemeinde waren es nach bisherigem Forschungsstand fast 200 Personen, die aus den Ländern der Sowjetunion, Finnland, Frankreich und Holland kamen. Sie arbeiteten in der Industrie (Firma Rüsch), in der Landwirtschaft (vor allem im Weinbau) und in Pflege- und Hilfsberufen (Stuttgarter Krankenhäuser im Schloss). Letztere waren hier in der Glockenkelter unter erbärmlichen Bedingungen untergebracht . . . “

Quelle: Waiblinger Kreiszeitung vom 27.03.2012 / Text: Hans –Joachim Schechinger

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