Jun 10 2011

Der Geldsegen ist nicht Altenbergers Verdienst

Veröffentlicht von um 21:25 unter Pressespiegel

vom 09.06.2011

Vertreter der vier Kernener Ratsfraktionen ziehen eine Bilanz der ersten acht Jahre BM Stefan Altenberger

Am 31. Juli wählt Kernen einen Bürgermeister. Vieles spricht dafür, dass Stefan Altenberger im Amt bestätigt werden wird. Einen ernsthaften Gegner im Kampf um den Chefsessel wird er wohl nicht haben. Wir wollen deshalb die Kernener zu Wort kommen lassen, sich mit der Bilanz des Amtsinhabers auseinanderzusetzen. Wir beginnen mit Bürgervertretern im Gemeinderat. SPD-Gemeinderätin Ingrid Möhrle, OGL-Rat Walter Rall, CDU-Fraktionschef Andreas Wersch und sein UFW-Pendant Hans Dietzel resümieren acht Jahre Altenberger.

Stellen wir uns vor, Bürgermeister Rolf Frank wäre noch im Amt. Stünde Kernen heute anders da als unter seinem Nachfolger Stefan Altenberger?

Rall: Ich meine, der Gemeinderat hätte unter Frank kaum anders entschieden als bisher. Ob das Bürgerhaus so gepusht worden wäre, weiß ich nicht. 2002, als das Stettener Bädle eingerichtet wurde, hatten wir unter Rolf Frank eine Haushaltssperre. Man kann also nicht sagen, dass für die rosigen Zeiten in Kernen allein Bürgermeister Altenberger verantwortlich ist. Unter Frank hätten wir die gleichen Steuereinnahmen gehabt. Der hat damals den Haushalt genauso verantwortungsvoll bearbeitet wie heute.

Wersch: Die Frage ist hypothetisch. Aber grundsätzlich gilt: Der Bürgermeister ist ein 23stel des Gemeinderates. Und es ist schon so, dass im Rahmen des Bürgermeisterwahlkampfes 2003 das Bürgerhaus thematisiert worden ist. Altenberger hat sich Themen, die von Teilen der Bevölkerung an ihn im Wahlkampf herangetragen worden sind, aufs Tableau geschrieben.

Auch den Discounter? Hätte Rolf Frank den Discounter so vehement angepackt wie Altenberger?

Wersch: Der Discounter war ein Thema aus dem Wahlkampf, ein Thema, das Altenberger sicherlich vorangetrieben hat. Das wäre unter Rolf Frank nicht in dem Maße gekommen, wahrscheinlich auch nicht an dem jetzigen Standort. Aber das Bürgerhaus war ein Selbstläufer. Da war einfach die Zeit reif. Das Geld, das hauptsächlich von Gewerbesteuereinnahmen herrührt, das hätten wir auch unter Frank gehabt. Es ist ja nicht so, dass das Geld vom Himmel gefallen wäre oder dass Altenberger das mitgebracht hätte. Das Geld wurde in Verbindung mit dem Sparwillen des Gemeinderates angehäuft. Dass man als Gemeinderat zukunftsträchtige Dinge auf die Agenda nimmt, das ist selbstverständlich. Das ist nicht das Verdienst Altenbergers, zumindest nicht seines allein.

Dietzel: Ich habe den gesunden Frank ja einige Jahre erleben dürfen im Gemeinderat. Frank hat seine Ziele sehr stringent verfolgt. Er war ein Verwaltungsmensch. Der hat Ziele formuliert, die Verwaltungswege eingeleitet und konsequent umgesetzt. Altenberger ist mehr der Managertyp, der es sehr flexibel nach links und rechts, nach oben und unten, nach vorne und hinten dreht, wenn da ein Thema ist.

Wersch: Je nach Windrichtung.

Dietzel: Ja, das ist richtig, wie Herr Wersch grad sagt. Er ist wesentlich flexibler. Er greift ein Thema auf und setzt sich an die Spitze der Bewegung.

Stichwort Discounter, die Lieblingsidee von UfW und Freundliches Kernen.

Dietzel: Ja, den Discounter hat Altenberger sehr forciert und mit allen Möglichkeiten versucht, ihn voranzubringen. Er ist davon überzeugt, dass er erforderlich ist. Aber Rolf Frank hätte sicher auch vieles hingebracht.

Wersch: Frank hatte das Gespür, was ist im Gemeinderat umsetzbar. Wenn er gemerkt hat, ein Thema findet keine Mehrheit, hat er es wieder fallen lassen und nach Alternativen gesucht. Das macht Altenberger anders. Altenberger rennt durch die Wand.

Dietzel: Und dann kracht’s halt.

Der Gemeinderat sollte eigentlich der Motor sein, der die Verwaltung antreibt. Inzwischen hat man den Eindruck: Der Gemeinderat ist der Getriebene.

Möhrle: Ich sehe das Problem als Neuling, dass man sich total verzettelt. Das ist das, was unsere Fraktion bemängelt: die Schnellschüsse. Wir haben das Bürgerhaus, Hallenbad, Glockenkelter, darauf wollten wir uns konzentrieren. Aber ständig kommen neue Dinge auf die Tagesordnung. Unser Problem heißt Sitzungsökonomie. Das läuft nicht gut. In nichtöffentlicher Sitzung werden da nachts um halb elf, elf plötzlich Dinge gebracht, die wirklich nett und lieb sind, aber wir sind grad in einem ganz anderen Thema drin. In Kernen gilt: Je später die Sitzung, desto wacher müssen Sie sein.

Dietzel: Die Prozesse im Gemeinderat müssen langsam gehen: Die Zeit muss reif sein. Aber bei uns geht es Schlag auf Schlag: Vorberatung, drei Wochen später Beschluss und fertig. Aber wir sind kein Management einer Firma, das hier ist eine Verwaltung, eine Behörde, eine kommunale Einrichtung. Ich muss mich erst damit befassen, diskutieren. Man überfordert das Gremium, wenn man ihm zu wenig Zeit lässt, die Sache zu bearbeiten.

Möhrle: Vorberatung fordern wir auch. Es gibt Dinge, die müssen sich einfach setzen.

Rall: Ein bisschen sind wir schon Getriebene, aber nicht nur, weil die Verwaltung uns treibt. Die Themen kommen auch von außen: die EnBW-Geschichte, die Konzessionsverträge. Da sind wir einfach gefangen. Bei den Zuschüssen für die Schulrenovierung, für die Kindergärten, auch da wird man einfach getrieben. Da ist Geld da und man muss die Fristen einhalten.

Darf sich Altenberger den Geldsegen der Gemeinde ans Revers heften?

Dietzel: Er ist ein Finanzmensch. Als er kam, war er auch bereit einzusparen. Er hat den Mut gehabt, eine Personalstelle zu streichen. Aber nachdem es uns relativ gutging, trotz Finanzkrise, hatte ich das Gefühl, dass er’s lockerer sieht und wir es jetzt sind, die bremsen. Es ist ein Teamwork, mit dem Kämmerer, mit dem Gemeinderat, mit dem Bürgermeister.

Niemand ahnte zur Halbzeit seiner Wahlperiode, dass es so gut laufen würde?

Dietzel: Ich hab’ noch mal nachgelesen: In der Haushaltsrede 2005 für 2006 stand, dass das Guthaben in der mittelfristigen Finanzplanung aufgezehrt ist. Das liegt jetzt fünf Jahre zurück. Keiner hat gewusst, wie’s läuft. Dass das jetzt ein Mensch bewirkt haben sollte . . . Es ist einfach Glück, dass wir gute Gewerbesteuereinnahmen, eine gute Struktur haben. Und wir haben gespart.

Wersch: Was wir produzieren mit unseren Investitionen, sind Folgekosten. Wir hatten Zeiten, da haben wir Spielplätze, die 1000 Euro Unterhaltung im Jahr kosteten, geschlossen. Da ging’s um Peanuts, die wir zusammengezählt haben. Das war das, was Herr Dietzel mit dem Sparwillen des Gemeinderates meint. Wir werden jetzt wieder leichtsinnig, weil ja Geld da ist. Irgendwann stehen wir wieder an dem Punkt, wo wir sagen: Machen wir das Kinderhaus zu? Machen wir das Hallenbad zu? Das strukturelle Defizit unseres Haushalts ist nämlich nach wie vor vorhanden.

Frau Möhrle hat im Gremium auf diesen wunden Punkt schon mehrmals den Finger gelegt und die Verwaltung zum Sparen aufgerufen. Ist Schultes Altenberger kritikfähig?

Möhrle: Wir haben jetzt zwei Haushalte mit Verwaltungsdefiziten eingebracht. Das ist schon außergewöhnlich. Wenn man die Zahlen von der Mai-Steuerschätzung ansieht, kann man das zwar locker wieder kompensieren. Aber eins vergisst Herr Altenberger: die Umstellung auf das neue Kassen- und Haushaltswesen. Wir haben in Kernen noch nicht einmal den Zeitpunkt beschlossen. Und wir haben ein strukturelles Defizit im Haushalt. Dann müssen nicht nur die Folgekosten, sondern auch die Abschreibungen ausgeglichen werden. Dann gibt’s das große Heulen und Zähneklappern. Jetzt ist die Frage, wann kommt das in Kernen? Mir ist das schleierhaft. Andere Kommunen haben Leute von Fachhochschulen geholt, die schon die Vermögensbewertung machen.

Jetzt sind wir schon wieder beim Thema Schweinsgalopp, der auch Rathausmitarbeiter frustriert.

Wersch: Mir tut der Kämmerer leid. Weil der ist der Gejagte momentan. Stromkonzessionsverträge, Abwassergebühr und, und, und. Die ganze Verwaltung läuft momentan über den Herrn Heberle. Ich bin mir nicht sicher, ob der Mann nicht irgendwann sagt: Bei mir geht’s einfach nicht mehr.

Wäre es nicht eine Führungsaufgabe des Bürgermeisters, den Kämmerer, auf dem gerade viele anspruchsvolle Aufgaben abgeladen werden, zu entlasten? Altenberger, der noch vor kurzem erklärte, er wolle sich als Schultes ganz den anstehenden großen Bauprojekten widmen, hat trotzdem noch Zeit für den Vorsitz der Remstalroute.

Dietzel: Auf Heberle lastet sehr, sehr viel. Man sieht nicht, was er im Hintergrund alles macht. Der Mann ist enorm wichtig. Altenberger sollte ihn im Auge behalten und gucken, dass da nichts anbrennt. Wenn Heberle uns wegbricht, dann sehen wir alt aus. Ich war bei der Auswahl vom Kämmerer dabei damals: Heberle war der Beste.

Als oberster Wirtschaftsförderer war Altenberger in den acht Jahren erfolgreich?

Rall: Auf jeden Fall erfolgreicher als der, den er am Anfang eingestellt hatte. Das war ja nicht unbedingt der Renner. Bei Grundstücksverkauf und Firmenansiedlung ist Altenberger schon relativ flexibel. Wobei auch da wieder der Kämmerer mitwirkt. Der muss den Kontakt herstellen, muss die Zusammenhänge verhandeln, muss oft die harten Fakten sagen, während der Bürgermeister mehr der Verkäufer ist. Aber in dem Zusammenspiel ist er aktiv und sicherlich auch erfolgreich.

Dietzel: Bei Grundstücksverkauf und Firmenansiedlung ist Altenberger schon relativ flexibel. Wobei auch da wieder der Kämmerer mitwirkt. Der muss den Kontakt herstellen, muss die Zusammenhänge verhandeln, muss oft die harten Fakten sagen, während der Bürgermeister mehr der Verkäufer ist. Aber in dem Zusammenspiel ist er aktiv und sicherlich auch erfolgreich. Wo er sich sicherlich gut eingebracht hat, war bei der Tankstelle in Bezug auf die Lärmentwicklung. Altenberger war es wichtig, dass das Altenheim daneben nicht tangiert wird. Wir haben heute die Situation, dass im Pflegeheim alle begeistert sind, dass es dort so leise ist. Im Endeffekt sind sie froh, dass sie mit der Tankstelle etwas haben, was ihre Unterhaltung fördert.

Rall: Wo er sich sicherlich gut eingebracht hat, war bei der Tankstelle in Bezug auf die Lärmentwicklung. Altenberger war es wichtig, dass das Altenheim daneben nicht tangiert wird. Wir haben heute die Situation, dass im Pflegeheim alle begeistert sind, dass es dort so leise ist. Im Endeffekt sind sie froh, dass sie mit der Tankstelle etwas haben, was ihre Unterhaltung fördert.

Altenbergers Vision hieß für Rommelshausen Einkaufsachse von der Tanke bis zum Adlerkreisel. Das Projekt Volksbank/Würthele hat er bekommen.

Dietzel: Wobei das Haus Würthele auch ohne ihn gekommen wäre. Aber die Meile vom Ortsbeginn bis runter zu den Arkaden, die kann man durchaus träumen. Schritt für Schritt. Vielleicht verkaufen die Besitzer den Platz auf der anderen Seite in fünf Jahren, um da was hinzustellen.

Die Frage ist nur: Wie erfüllt man die Sache dann wirklich mit Leben, dass die Leute das auch frequentieren?

Wersch: Die Frage ist nur: Wie erfüllt man die Sache dann wirklich mit Leben, dass die Leute das auch frequentieren?

Hat Altenberger es geschafft, die Bürger bei all diesen Projekten mitzunehmen?

Dietzel: Er ist sehr fleißig, sehr umtriebig, in den meisten Punkten auch erfolgreich. Aber den Menschen ehrlich mitnehmen, das ist eine Sache, die vielleicht ausbaufähig wäre. Nicht aus taktischen Gründen einen mitnehmen, sondern, weil ein Mensch ein ganz persönliches Anliegen hat.

Möhrle: Dem Bürger geht alles zu schnell. Da ist alles so unruhig, so hektisch. Die Folge ist, dass der Einzelne nicht mehr wahrgenommen wird. Das zieht sich im Rathaus auch in die Mitarbeiterebene rein.

Quelle: Waiblinger Kreiszeitung vom 09.06.2011 / Text: Hans-Joachim Schechinger

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