Jun 26 2011

136 000 Punkte für drei Mauern

Veröffentlicht von um 21:30 unter Pressespiegel

vom 25.06.2011

Der Kernener Gemeinderat beschließt Bau und Sanierung steinernen Kulturguts in den Weinbergen – für ein Öko-Konto

Für die 14 Ar, die Kernen im Gewerbegebiet „Ob dem Waiblinger Weg“ überplant, wird es als Öko-Ausgleich nahe der Yburg zwei Trockenmauern bauen und eine bestehende herrichten lassen. 34 000 Euro ist das Projekt wert. Mit ihm sammelt Kernen Öko-Punkte: 136 000. Für eine Gemeinde, die Baugebiete erschließt, ohne den Umwelteingriff vor Ort ausgleichen zu können, ist die Jagd auf Öko-Punkte ein Muss.

Wie berichtet hatte Diplom-Ingenieurin (FH) Manuela Eichendorf vom Stuttgarter Planungsbüro König + Partner auf Wunsch des Kernener Rathauses den aktuellen Bestand an Trockenmauern in den Stettener Gebieten „Sandacker“, „In den Raubern“ und rund um die Y-Burg erfasst und ausgewertet. Sie wies 16 reparaturbedürftige oder neu zu errichtende Mauerzüge aus. Davon will das Bauamt nun zwei ganz neue Sandsteinmauern nahe der Y-Burg aufschichten (T 2/T 3) und ein bestehendes Gemäuer direkt im Anschluss an den Turm reparieren und verlängern lassen (T 1).

Mangels Zuschüssen kooperiert das Rathaus mit Allmende

Kooperationspartner ist mangels Förderzuschüssen der in Mauerbau-Projekten versierte Stettener Kulturverein Allmende. Für Ende Juli sind die drei Projekte im Rahmen eines Trockenbauseminars geplant, das Allmende mit den Landschaftsgärtnern Martin Bücheler und Richard Lenz organisieren wird. Die Gemeinde liefert dazu die Steine. An der Mauer T 1 hatten Diebe sie teilweise abgetragen. Und sie finanziert die Ausgleichsmaßnahme, zu der sie der Bebauungsplan fürs Gewerbegebiet „Ob dem Waiblinger Weg“ wegen der Versiegelung des Schutzguts Boden verpflichtet. Laut Schätzung kostet das 34000 Euro.

Eine Investition, die sich für eine erschließungsfreudige Gemeinde wie Kernen rechnet: Nach der neuen baden-württembergischen Ökopunkteverordnung lassen sich für je einen Euro der Herstellungskosten vier Öko-Punkte anrechnen. Das ergibt im Fall der drei Stettener Trockenmauern 136 000 Öko-Punkte, von denen Kernen bis dato noch keinen einzigen hat.

Fürs Gebiet Kleines Feldle III braucht Kernen Öko-Punkte

Öko-Punkte, eine Verrechnungseinheit, die die Gemeinde laut Bundesnaturschutzgesetz zum Ausgleich für ökologische Eingriffe verwenden wird, wenn sie ihre Öko-Bilanz nicht komplett im Baugebiet, etwa mit Retensionsmulden wie in den Langen Äckern oder im Kleinen Feldle III ausgleichen kann. Schon jetzt ist klar, dass sie für die Erschließung des kleinen Feldle Öko-Punkte braucht.

Über die Auswahl der drei Trockenmauern sind einige Gemeinderäte unglücklich. Die Stützmauer T 2 verläuft westwärts entlang einer Wasserrinne hinunter zum Festplatz vor der Yburg, wo T 3 zur Burg nach Süden abknickt. Dort vergrößert sich mit der neuen Trockenmauer T 3 die Plattform unterhalb des Weinbergs Haidle, auf der bei Hocketsen der Musikverein spielt. CDU-Fraktionschef Andreas Wersch hätte lieber die Weinbergterrassen entlang der Burgsteige saniert: „Die Mauern dort verfallen. Da ist dringender Handlungsbedarf.“ Fraktionskollege und Wengerter Walter Zimmer hält das „Stützmäuerle T 2“, das zwischen zwei Wengert verlaufen soll, mit 25 000 Euro Baukosten für eine Fehlinvestition: „Kein Mensch sieht die Mauer. Das ist ein Wasserlauf.“ Volker Borck (CDU) pflichtet ihm bei: „Wir haben dringende Probleme an der Steige. Die neue Mauer ist ,nice to have’“. Bauamtschef Schaal hielt dagegen: Zumindest sei sie „ökologisch“. Und: Eine neue Mauer ergebe mehr Öko-Punkte.

Abkehr vom Ansatz, Öko-Eingriffe vor Ort auszugleichen?

OGL-Fraktionschef Andreas Stiene sprach einen anderen sensiblen Punkt an: Bedeutet ein dickes kommunales Öko-Punkte-Konto die Lizenz zum unökologischen Landschaftsverbau? Grundsätzlich halte er es für eine „positive Sache, dass man sich um Öko-Punkte kümmert. Aber ich sehe darin eine Abkehr vom ursprünglichen Ansatz, vor Ort auszugleichen.“ Trotzdem, so der Realo-Grüne: „Ich finde es wichtig. Das gibt Freiraum.“ Beigeordneter Horst Schaal widersprach: „Eigentlich muss ich immer an Ort und Stelle ausgleichen. Boden für Boden. Erst wenn das nicht möglich ist, geht es auch außerhalb.“ So sehe der Bebauungsplan fürs Kleine Feldle III Retensionsmulden und Eingrünung vor. Schaal: „Wenn dann nichts mehr geht, schaut man über die Grenzen hinaus.“

Quelle: Waiblinger Kreiszeitung vom 25.06.2011 / Text: Hans-Joachim Schechinger

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