Mai 01 2011

Erhalt des markanten Bilds der Landschaft

Veröffentlicht von um 21:43 unter Pressespiegel

vom 30.04.2011

Die Gemeinde hat für ein Trockenmauerprojekt eine Konzeption ausarbeiten lassen

Im Neckartal gibt es noch viele, im Remstal sind sie weitgehend verschwunden, unterhalb der Y-Burg und an einigen weiteren Stellen in Stetten finden sich aber noch Weinbergmäuerle, traditionell aus Natursteinen ohne Mörtel gefügt. Diese wurden früher an steilen Hangabschnitten errichtet, um durch den Aufbau von Terrassen die Nutzfläche zu erhöhen und den Bodenabtrag durch Erosionswirkung des Wassers zu vermindern. Für den traditionellen Weinbau hatten sie einen weiteren Vorteil: Weil sich die Steine tagsüber aufheizen, strahlen sie bis in die Nacht Wärme ab, mildern so die Auskühlung der Rebflächen und verbessern so den Ertrag.

Dem Maschineneinsatz im Weinberg sind die Trockenmauern im Weg, und sie verschwanden deshalb weitgehend. Doch neues Interesse am Erhalt ist erwacht. Eine private Initiative um den Stettener Eberhard Kögel und einige Wengerter versucht seit einiger Zeit, den endgültigen Verfall einer einstmals die Weinregion dominierenden Kulturlandschaft aufzuhalten. Sie erhält zunehmend offizielle Unterstützung. Im Gemeinderat Kernen sang vor kurzem auch die Landschaftsarchitektin Manuela Eichendorf das Hohelied der Trockenmauern: „Das sind tolle Lebensräume für Pflanzen und Tiere. Ab zwei Meter Breite und 50 Zentimeter Höhe stehen sie unter Biotopschutz. Sie sind auch ein über Jahrhunderte gewachsenes Kulturgut, ein markantes Bild in der Landschaft.“ Zur Illustrierung zeigte sie den Gemeinderäten ein Foto von Eidechsen, die sich in den Mauerritzen pudelwohl fühlen. Bürgermeister Stefan Altenberger und sein Beigeordneter Horst Schaal versprachen dem zustimmenden Gemeinderat, aufgrund der Maßnahmenvorschläge der Landschaftsarchitektin eine Prioritätenliste für den Erhalt der Trockenmauern aufzustellen.

Dass die sonst mehrheitlich den repräsentativen Sanierungen und Neubauten zugeneigte öffentliche Hand den unscheinbaren Biotopen in ungewohnter politischer Einigkeit zu Hilfe eilt, hat mit Raubbau an der Natur an anderer Stelle zu tun. Das Bundes-Naturschutzgesetz schreibt vor, dass unvermeidbare Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft, etwa durch Baugebiete, Straßenbau und so weiter, auszugleichen oder zu kompensieren sind.

Dieser Ausgleich fällt den Architekten von Bebauungsplänen in den Rathäusern immer schwerer: Die Gewerbegebiete westlich der Waiblinger Straße in Rommelshausen, die „Langen Äcker“ und „Ob dem Großen Waiblinger Weg“ und wie sie alle heißen, entstehen auf bestem Ackerland mit hohen Bodenwerten. Der Verlust von Boden dieser Qualität ist kaum ausgleichen, im Baugebiet ist schon gar nicht der Platz dafür vorhanden. Nicht einmal für den wertvollen Mutterboden fanden sich zuletzt genügend geeignete Grundstücke, um ihn anderswo aufzubringen. Also rückt Ersatz an anderer Stelle in den Blick, mit dem „die beeinträchtigten Funktionen des Naturhaushalts in gleichwertiger Weise ersetzt sind“, wie es zum Beispiel im Bundes-Naturschutzgesetz heißt.

Eine Zeit lang behalf sich die Gemeindeverwaltung damit, für den Verlust von Streuobstwiesen durch Baugebiete einige ökologisch kaum wirksame Äcker mit hochstämmigen Obstbäumen zu bepflanzen, manchmal in der Nähe des Gebiets, manchmal weiter weg im Ortsteil Stetten. In anderen Fällen verwirklichte sie lange Zeit schon gewünschte Biotopverbesserungen und erweiterte punktuell Lebensräume für seltene Pflanzen und Tiere.
Inzwischen verlangen die Naturschutzbehörden im Landratsamt und Regierungspräsidium aber, die Maßnahmen qualifizierter aufzustellen, nach gesetzlichen Vorgaben und in einem Gesamtzusammenhang, wie Hauptamtsleiter Bernhard Bühler sagt. „Das Neue ist, dass alle vorgeschlagenen Maßnahmen in einen Katalog aufgenommen, gewichtet und ihre Ziele ausdrücklich benannt worden sind.“ Mit einer solchen Projektkonzeption seien die Maßnahmen als Ausgleich für Eingriffe in Natur und Landschaft geeignet, sagt die Landschaftsarchitektin.

Auf der Gemarkung Kernens fand Manuela Eichendorf nicht nur unterhalb der Y-Burg Trockenmauern, sondern auch „In den Raubern“ und beim Klettergarten im Gewann Sandacker. Das erste, viel besuchte Gebiet wertet durch sein markantes Erscheinungsbild die Landschaft auf, dort kann auch Tourismusförderung ein Ziel von Erhaltungsmaßnahmen sein, erläuterte sie dem Gemeinderat. „In den Raubern“ dagegen kommen Brachflächen und Kleingärten auf. Dort gilt es verfallene Mauern wieder herzustellen, für den Artenschutz zu sichern und als landschaftsbezogene Erholungsfläche im Zusammenhang mit dem Waldrand zu nutzen. Im Bereich Sandacker sind die Mauern hauptsächlich in Gärten in für die Tierwelt besonders interessanter Südlage. „Dort gibt es noch Ergänzungsmöglichkeiten“, sagt die Planerin. Für alle Gebiete hat sie „Maßnahmeblätter“ mit Vorplanungen und Begründungen ausgearbeitet. Gedacht sind diese Ausgleichsmaßnahmen für größere Baugebiete: „Sie haben hohe Kosten, benötigen großes handwerkliches Geschick und sind aufwendig: Der Trockenmauer-Bauer muss jeden Stein von Hand tragen,“ sagt Manuela Eichendorf.

Das Trockenmauerprojekt ist damit nicht fest abgesteckt. Solches Mauerwerk findet sich auch in der Steigstraße und an weiteren Orten, wie Gemeinderat Volker Borck (CDU) ergänzte. „Das Projekt kann man noch ausdehnen“, sagt Manuela Eichendorf dazu.

Quelle: Fellbacher Zeitung vom 30.04.2011 / Text: Hans-Dieter Wolz

Anmerkung:

Die CDU-Gemeinderatsfraktion hatte hierzu den entscheidenden Antrag zu den Haushaltsberatungen für das Jahr 2010 gestellt:

„Antrag: Zum Erhalt weiterer Trockenmauern sind Mittel in Höhe von 10 000 Euro in den Planansatz für das Jahr 2010 einzustellen.

Begründung: Terrassenweinbau und die damit verbundenen Trockenmauern waren einst landschaftsprägend im Remstal. Durch die Flurbereinigungen in den 70er und 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts sind diese weitgehend aus dem Landschaftsbild verschwunden. An der Y-Burg und in der Steigstraße befinden sich z.B. noch einige wenige Trockenmauern, die nicht nur zahlreichen Kleintieren eine Heimat bieten, sondern auch letzte Fragmente unserer einstigen Kulturlandschaft darstellen. Die Gemeinde hatte sich unlängst an einem Trockenmauerprojekt finanziell und ideell beteiligt. Ähnlich wie beim Projekt „Kammerforstheide“ könnte die Gemeinde hier den Weinbergbesitzern ihre Hilfe (z.B. in Form eines Zuschusses) anbieten, damit diese Trockenmauern dauerhaft erhalten bleiben.“

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