Mrz 10 2011
Physiker steckt seine Energie in die lokale Politik
vom 09.03.2011
Stetten. Nach 40 Jahren ist Wolfgang Kohl zurückgekehrt. Als CDU-Chef will er für die Partei mobilisieren
Diese Frage musste ja kommen. Nein, er sei nicht mit dem früheren Bundeskanzler verwandt oder verschwägert, sagt Wolfgang Kohl, der neue Kernener CDU-Chef. Auch wenn er sich politisch nicht von seinem Namensbruder distanzieren möchte, so stellt er fest: „Ich bin mein eigener Kohl.“
Und das ist er bereits seit 65 Jahren. In Lendsiedel bei Kirchberg/Jagst geboren, ist er 1963 mit den Eltern in die Waiblinger Straße nach Rommelshausen gezogen. „Da haben wir Haustür an Haustür mit dem früheren Bürgermeister Günter Haußmann gewohnt.“ Dann der Umzug in die Steigstraße nach Stetten in das Haus auf dem großelterlichen Grundstück.
Wenn Wolfgang Kohl aus der Zeit seiner Jugend erzählt, dann taucht in den Geschichten erstaunlich oft sein Großvater auf. „Er war ein dynamischer Schwabe, der sich in Stetten einen Gemischtwarenladen aufgebaut hatte“, erzählt Kohl. Doch Stetten wurde dem Großvater irgendwann zu klein. So verkaufte er seine Waren noch in Fellbach und auf dem Markt in Bad Cannstatt – auch weil es dort ein paar Pfennige mehr für die Pflaumen gab. „Von meinem Großvater habe ich den inneren Drang zum Wirtschaften.“
Irgendwann war auch für Wolfgang Kohl die Welt in Stetten zu klein. Er zog aus, studierte Physik in Heidelberg, schrieb seine Arbeit für die Dissertation bei der Gesellschaft für Schwerionenforschung (GSI) in Darmstadt, und stieg nach seiner Promotion beim Konzern BBC/AAB in Mannheim als Projektleiter für Großkraftwerke die Karriereleiter hoch. Als die Energiekrise Ende der 80er-Jahre nach Deutschland kam, ging Kohl. Seit 1988 lehrt er als Professor für Physik, Umweltmesstechnik und Energielehre an der Hochschule Mannheim.
Vor knapp drei Jahren ist der Professor in die Steigstraße unterhalb der Y-Burg zurückgekehrt. „Die schöne Lage und auch der familiäre Bezug zum Remstal hat mich nach 40 Jahren dazu bewogen“, erklärt er den Umzug. Kaum eingelebt, steckt er seine Energie in die Kommunalpolitik. Warum tut man sich das an? „Ich bin gerufen worden, Emil Knoll wollte schon vor zwei Jahren sein Amt abgeben, aber niemand hatte sich gefunden“, sagt Kohl.
Dem früheren CDU-Chef attestiert er politisches Geschick: „Knoll hat hervorragende Arbeit und große Verdienste in der Fraktion und Partei geleistet.“ Nun ist Kohl mit 65 Jahren sogar zwei Jahre älter als sein Vorgänger. Sollte nicht jemand jüngeres an der Parteispitze stehen? Das sieht der CDU-Mann anders. „Wir sind eine Gesellschaft, die immer stärker vom Alter bestimmt wird.“
An der Hochschule hat Kohl viel mit jungen Menschen zu tun. „Ich möchte meine Erfahrung an die Jugend weitergeben, denn sie ist unsere Zukunft“, sagt er. Überhaupt müsse Deutschland mehr in die Zukunft investieren, vor allem in Bildungs- und Bevölkerungspolitik sowie in Infrastruktur, sagt der bekennende Stuttgart-21-Befürworter.
Politische Erfahrung hat Kohl bereits. Acht Jahre lang hat er als Chef den CDU-Ortsverband in Mannheim geführt. Jetzt will er in Kernen die rund 50 Parteimitglieder neu mobilisieren. „Von denen sieht man zu wenig, dabei sollten sie ihre Gedanken zur Politik mit Gleichgesinnten diskutieren „, sagt Kohl. Er denkt dabei etwa an Vorträge von Experten zu Themen wie Rückkauf der Energienetze oder S21. „Dabei müssen aber immer Pro und Contra zur Sprache kommen.“ Am Herzen liegt dem CDU-Chef die Entwicklung von Kernen. „Rommelshausen hat von der Struktur her eine hervorragende Anlage, aber das Angebot stimmt nicht“, sagt Kohl. Deshalb wünsche er sich eine städtebauliche und architektonische Belebung des Ortszentrums. „Stetten hat zwar ein tolles Image, aber das Ortsbild ist mir zu zerfahren.“ Um die lokale Wirtschaftskraft zu verbessern, sollten mehrere hundert neue Familien nach Stetten geholt werden, sagt Kohl.
Ein Gemeinderatsmandat strebt Wolfgang Kohl nach eigener Aussage nicht an. Partei und Fraktion sind für den CDU-Chef getrennte Welten. Seine Aufgabe sei eine andere: „Ich will diese Partei wieder zum Leben erwecken und einen Nachfolger für mich finden.“
Quelle: Fellbacher Zeitung vom 09.03.2011 / Text: Sascha Sauer