Feb 25 2011

3000 Euro für politische Aufklärung

Veröffentlicht von um 23:36 unter Pressespiegel

vom 25.02.2010

1500 Euro für Exkursionen zum früheren Konzentrationslager Dachau, 1500 Euro als Zuschuss zum Besuch von Informationszentren über das Unrechtssystem der früheren DDR: Die Kernener Ratsfraktionen sind sich einig, dass sie Schulen finanziell unter die Arme greifen müssen, damit die Aufklärung über totalitäre Systeme des 20. Jahrhunderts nicht am Geldbeutel scheitert.

Die Rats-Initiative ging von der SPD- und UFW-Fraktion aus. In einem interfraktionellen Haushaltsantrag hatten ihre Sprecher Hans Dietzel und Hans Peter Kirgis angeregt, jährlich 1500 Euro zur Förderung von Besuchen der KZ-Gedenkstätte Dachau einzustellen. Schülerinnen und Schülern der Karl-Mauch-Schule und der Rumold-Realschule solle die Gemeinde die Kosten für Exkursionen abnehmen, damit diese zum festen Bestandteil des Unterrichts werden können. Denn: Um im Geschichts- und Gemeinschaftsunterricht Einblick in das Grauen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft zu bekommen, sei der Besuch einer KZ-Gedenkstätte unabdingbar.

Andreas Wersch: Auch Grafeneck mit einbinden

Der Antrag trug die Handschrift des Stettener SPD-Gemeinderats und Lehramtsstudenten Paul Alexander Eißele. Das „Lernen vor Ort“ solle bleibende Eindrücke bei den Jugendlichen hinterlassen, stand da. Der Besuch einer KZ-Gedenkstätte rege zur Auseinandersetzung mit dem Holocaust sowie zur kritischen Konfrontation mit neofaschistischem Gedankengut und rechtsextremen Parolen an. Politisch korrekt, aber einseitig, wie CDU-Fraktionschef und Realschullehrer Andreas Wersch im Verwaltungsausschuss befand. Das linke Unrechtssystem der DDR bleibe ausgeblendet. Wersch wurmte zudem, dass SPD und UFW bei einem Thema, das die Solidarität aller demokratischen Kräfte verlange, die anderen Ratsfraktionen nicht eingebunden haben. Grafeneck, das auf der Strecke liege, lasse sich in die Fahrt nach Dachau übrigens einbauen, regte Wersch an.

Zugleich meldete er grundsätzliche Bedenken gegen die kommunale Finanzierung an. Seit zehn Jahren organisiere er Ausfahrten nach Dachau, sagte Wersch, „und ich habe nie einen Betrag bezahlt, weil es Stiftungen gibt, die das übernehmen. Aber Schulexkursionen haben mittlerweile auch einen Bespaßungsfaktor, weil sich damit eine Fahrt nach München verbinden lässt“. Der pädagogische Effekt sei zu hinterfragen. Paul Alexander Eißele weiß aus eigener Erfahrung als Realschüler um das Problem. Er kenne auch die privaten Geldquellen.

„Wir wissen das, aber die 1500 Euro im Haushalt sind eine Sicherheit für die Schulen. Und wir wollen das strikt trennen von einer Klassenfahrt nach München.“ Schultes Altenberger empfahl, die 1500 Euro mit Sperrvermerk zu versehen. „Wenn es diese Zusage von Stiftungen gibt, frage ich mich, wieso man die 1500 Euro nicht für was anderes einstellt.“ CDU-Mann Wersch drehte diesen Einwand weiter: Auch das „hervorragende DDR-Museum in Pforzheim“ lohne einen Besuch. Als SPD-Fraktionschef Kirgis diese Anregung trocken abprallen ließ mit der Bemerkung „Das Geld ist für die NS-Vergangenheit. Ich würde die zwei Sachen nicht vermischen wollen“, reagierte Wersch sauer: „Das ist interessant.“

Jetzt haben alle vier Ratsfraktionen in einem zweiten Durchgang einen Ausweg gefunden, die auch das linke totalitäre Spektrum mit abdeckt. Der Karl-Mauch-Schule und der Rumold-Realschule sollen für Exkursionen in Informationszentren und Gedenkstätten zur Auseinandersetzung mit dem Unrechtssystem der DDR zusätzlich 1500 Euro im Kernener Gemeindehaushalt bereitgestellt werden. Sieht nach Kuhhandel aus, mit dem beiden Seiten gedient ist. So sei es aber nicht gemeint. UFW-Fraktionschef Hans Dietzel betonte gestern: „Das Thema DDR halte ich für sehr wichtig, weil ich mich damit schon lange beschäftige. Ich hatte Verwandte drüben. Wir wollten die Themen Nationalsozialismus und DDR nicht miteinander vermischen. Wenn sich Leute in die DDR zurücksehnen und andere nicht wissen, was es für ein System war, dann ist Aufklärung nötig.“

Quelle: Waiblinger Kreiszeitung vom 25.02.2011 / Text: Hans-Joachim Schechinger

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