Jul 30 2010

Discounter: Kein Sieg der Argumente

Veröffentlicht von um 09:48 unter Pressespiegel

vom 30.07.2010

Eine absehbare, dünne Kernener Ratsmehrheit verhalf dem umstrittenen Billigmarkt in den Spitzäckern zum Durchbruch

Die Schlacht um einen Discounter in den Römer Spitzäckern ist geschlagen. Neue Argumente kamen vor der Ratsentscheidung am Mittwochabend nicht auf den Tisch. Und für jedes der vorgetragenen, ob Pro oder Contra, gab es ein Gegenargument. „Ob mit dem Discounter eine Kaufkraftbindung stattfindet, wissen wir erst in ein paar Jahren“, sagte Walter Rall von der OGL.

So voll waren Zuhörerränge in Kernener Gemeinderatssitzungen selten. CDU-Fraktionschef Andreas Wersch erntete wiederholt Beifall. Gekommen waren vorwiegend Discounter-Gegner. Bild: Schechinger

In der Tat: „Die Würfel sind gefallen“, wie CDU-Fraktionschef Andreas Wersch die schiere Macht der Mehrheitsverhältnisse im Kernener Gemeinderat umschrieb. 12 stimmten für, 10 gegen Aldi. Das Risiko für den örtlichen Einzelhandel, das diese Mehrheit einschließlich Bürgermeister Altenberger aus Sicht der Kernener CDU heraufbeschwöre, passt nicht schlecht zu Caesars Rubikon-Zitat. Das Flüsschen sei überschritten. Vom ursprünglichen Ziel, dass nur ein Discounter in der Tulpenstraße den gewünschten und für das Überleben des örtlichen Einzelhandels notwendigen Synergieeffekt erzielen kann, habe man sich still und heimlich verabschiedet. An einen Discounter als Segensbringer für das Ortszentrum glaube ohnehin niemand mehr. Weshalb sonst schiebe man noch schnell ein Marketingkonzept für den Einzelhandel in Rom und Stetten hinterher, fragte Wersch.

Gutachten mit Gschmäckle: Gefälligkeitsgutachten?

Frequenzbringer? Aldi, der mittlerweile frisches Gemüse, einen Backshop sowie Fleisch- und Wurstwaren biete, werde den Einkaufsstandort nicht befruchten, sondern gefährden. Ehrlicherweise sollten die Befürworter der Spitzäcker, der ja viel zu weit weg liege vom Ortskern, zugeben, dass mit ihm auch bewusst Kunden des Stettener Rewe abgezogen werden sollen. „Ein Discounter auf den Spitzäckern wird also auch nachhaltige Auswirkungen auf den Ortsteil Stetten haben“, so Wersch. Die Chance für einen zentrumsnahen Supermarkt in der Tulpenstraße, deren in der Tat problematische Verkehrsführung sich planerisch lösen ließe, wenn man nur wolle, sei vertan worden. Gutachten ein- und desselben Büros, das innerhalb weniger Jahre den Kurs komplett ändere, hätten ein Geschmäckle – das von Gefälligkeitsgutachten.

UFW-Fraktionschef Hans Dietzel, dessen Fraktion den Discounter mit einer knappen, sicheren Mehrheit im Schulterschluss mit SPD und Stefan Altenberger Anfang des Jahres wieder auf die Tagesordnung gesetzt hatte, zitierte die alten Argumente: 30 Prozent Kaufkraftbindung für Artikel des täglichen Bedarfs mache Kernen zum Schlusslicht in der Region. Andererseits bestätigten neutrale Gutachten, dass die Bürger rund 40 Prozent des täglichen Bedarfs im Discountmarkt einkaufen. Die UFW habe die Vision, diese einmalige Chance für Kernen innerhalb der nächsten drei Jahre zu verwirklichen. „Ziel ist es, die Ortskerne zu beleben und die Kundenfrequenz zu erhöhen. Dazu gehöre die Zusage, in den Spitzäckern keine weiteren Geschäfte anzusiedeln – von „mittel- bis langfristig“ ist hier im Discounter-Beschluss des Gemeinderates die Rede. Weitere Elemente seien, so Dietzel, ein ordentlicher Branchenmix mit neuen Ladengeschäften im Geschäftshaus Tulpenstraße/Karlstraße und dem Bürgerhaus mit einem Café. Die Kernener Geschäftsleute sprächen sich im Übrigen „mehrheitlich“ für die Spitzäcker aus.

Was Dietzel unerträglich findet, sind Drohungen, mit denen Discounter-Kritiker Firmeninhaber unter den UFW-Gemeinderäten offenbar unter Druck setzten. Wieder mal werde „Gemeinderäten, die ein Geschäft betreiben, damit gedroht, ihre Dienste nicht mehr in Anspruch zu nehmen, vielmehr noch, Verwandte und Bekannte werden dazu animiert, ebenso zu verfahren“.

Anders Walter Rall von der OGL-Fraktion, der wie Andreas Wersch den Rubikon überschritten sieht. Eine sinnvolle Innenentwicklung werde nicht mehr möglich sein, sagte er, die Orientierung gehe jetzt zu den Spitzäckern. Und nur der Betreiber des Discounters habe tatsächlich den Nutzen.
Hans-Peter Kirgis (SPD) hofft dagegen, mit der Ansiedlung in den Spitzäckern den Trend umzukehren. „Unsere Aufgabe ist es, die Voraussetzungen zu schaffen, dass in der Gemeinde ein ausreichendes Angebot vorhanden ist.“ Kombiniert mit einem Marketingkonzept und mehr Service in den Geschäften lasse sich Kaufkraft wieder vermehrt an den Ort binden. Hofft er.

Quelle: Waiblinger Kreiszeitung vom 30.07.2010 / Text: Hans-Joachim Schechinger

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