Jun 11 2010

Gutachten bevorzugt Spitzäcker für Discounter

Veröffentlicht von um 22:20 unter Pressespiegel

vom 11.06.2010

Der Ortskern profitiert wenig, aber in der Tulpenstraße gibt es Platzmangel und Verkehrsprobleme.

Die Suche nach einem Grundstück für einen neuen Lebensmittel-Billigmarkt, einen so genannten Discounter der Sorte Aldi, Lidl, Netto, Penny oder ähnliche, neuerdings auch für einen größeren Vollsortimenter-Lebensmittelmarkt von Edeka, Rewe oder vergleichbarer Marke, stellt sich noch weiter eingeschränkt dar, als bisher schon. In einer neuen Standortuntersuchung der Gemeindeverwaltung, verfasst von der „Freien Planungsgruppe 7“, bleiben als realisierbar praktisch nur noch die Spitzäcker nördlich der Karlstraße übrig. An der Tulpenstraße wird“s dagegen eng, da zwischen Karlstraße, Kerner Volksbank und Talstraße neuerdings ein Wohn- und Geschäftshaus errichtet werden soll, wobei die Investorengruppe einen alten Bebauungsplan nutzt.

Aus dem Blick gerückt ist der so genannte Mittelstandort, der die Kirchgärten und den Treff-Markt umfasst. Die Gemeinde Kernen will ein Bürgerhaus in den Kirchgärten bauen – da bleibt, wie die im Gemeinderat gestern Abend präsentierte Standortuntersuchung zeigt – kein Platz mehr für einen Markt und Parkplätze. Gegenüber ist der Treff-Markt, der derzeit einzige Lebensmittel-Discounter in Kernen, trotz zu geringer Fläche renoviert worden. Verändern wird sich dort erstmal nichts, glaubt Bürgermeister Stefan Altenberger.

„Für den Standort Tulpenstraße spricht allenfalls die zentralere Lage“, lautet das Prüfungsergebnis der Architektengruppe. Diese schiebt gleich ein gerüttelt Maß Skepsis hinterher, ob das Ortszentrum davon profitieren könnte, also Kunden des Einkaufsmagneten Discounter oder auch eines Vollsortimenters ihren weiteren Bedarf an Waren in den Läden im Ortskern decken: „Vermutlich werden auch zukünftig kürzere Strecken mit dem Auto zurückgelegt, so das nur das direkte Umfeld, das neue Geschäftshaus und der östliche Zentrumsbereich daraus Nutzen ziehen kann“. Weil das Geschäftshaus-Grundstück nicht mehr einbezogen werden kann, rücken der Billigmarkt und ein zusätzlich eingeplanter, aber nicht zwangsläufig realisierter Vollsortimenter-Markt ins Abseits: Je nach Variante reicht die benötigte Fläche bis zur Uhlandstraße. „Der Standort ist mit dem Auto nicht direkt anfahrbar, und für Ortsfremde schwer auffindbar,“ heißt es in dem Gutachten.

Außerdem wird in die Grünzone zwischen der Tulpenstraße und der Kolbenhalde – viel genutzt durch Spaziergänger – beinahe durch alle Varianten wesentlich stärker eingegriffen, als wenn dort, wie angedacht, zwei Baureihen Häuser entstehen würden. Auch droht den Anwohnern der Tulpenstraße eine Belastung durch Anlieferungs- und Parkplatzlärm eines Discounters oder eines Vollsortimenters, weswegen von einer Lärmschutzwand die Rede ist.

Das Verkehrsplanungsbüro Schönfuß ergänzt, dass die Kreuzung Karl- und Tulpenstraße schon durch die Autos zu einem Supermarkt überlastet sein wird. Es wird daher zu Staus kommen, falls die Gemeinde nicht einen Kreisverkehr baut. Der greift allerdings weit in private Flächen ein, die nur schwierig zu erwerben sind.

Auch dem Standort Spitzäcker bescheinigen die Planer wenig Erfreuliches: „Der erhoffte Synergieeffekt im Bezug auf die Ortsmitte wird voraussichtlich gering sein, da die fußläufige Entfernung sehr groß ist.“ Das heißt nichts anders, als die Ortsmitte nicht von der Attraktivität des Discounters profitiert, die Geschäfte aber trotzdem der harten Konkurrenz dieser Billigmärkte ausgesetzt werden.

Damit entfällt ein Hauptargument, das die Befürworter eines Discounters auf den Spitzäckern immer wieder vorgebracht haben. Die Streuobstwiesen sind wertvolle Rückzugsflächen für gefährdete Vogelarten wie Feldsperling, Star, Gartenrotschwanz und den Steinkauz als Nahrungsgast, und der Biologe Peter Endl verweist als Gutachter deswegen auf ein „sehr hohes artenschutzrechtliches Konfliktpotential“, das nicht zu vermeiden ist.

Trotz dieser beiden gravierenden Nachteile fällt das Urteil der Planungsgruppe 7, – ebenso wie der Verwaltung – laut einer Vorlage an den Gemeinderat zugunsten der Spitzäcker aus: Sie seien insgesamt unproblematischer, weisen aber andere Vorteile auf: „Der Discounter auf den Spitzäckern bietet die Chance, eine überörtliche Wirkung zu erzielen“, heißt es im Gutachten. Er und ein Vollsortimenter lassen sich an den äußeren Kreisverkehr anschließen. „Die Märkte profitieren durch Mitnahmeeffekte von diesem Standort mit hoher Außenwirksamkeit.“ Gegenüber dem Burgweg stellen die Bauwerke eine gute Abschirmung des Lärms der Landesstraße und des Parkplatzes dar. Lärmschutz brauchen Bewohner der Beinsteiner Straße.

Märkte auf den Spitzäckern sind zwar deutlich weiter vom Ortszentrum entfernt als in der Tulpenstraße, haben aber einen anderen Vorteil, der Menschen ohne Auto entgegenkommt. Die Bushaltestellen der Linien 211 und 212 sind an der Schafstraße in nur 120 Metern Entfernung. Für die Tulpenstraße müsste eine neue Haltestelle und Linienführung eingerichtet werden.

Quelle: Fellbacher Zeitung vom 11.06.2010 / Text: Hans-Dieter Wolz

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