Sep 14 2009
Kein prickelndes Duell
vom 14.09.2009
Lokale Eindrücke und Stimmen zum Aufeinandertreffen von Merkel und Steinmeier im Fernsehen
Waiblingen/Schorndorf. Die Stimme aus dem Off zu Beginn des Duells versprach Großes: Tief grollend kündigte da einer die Gegner an. Man hielt den Atem an und wartete auf die Schießerei. Doch was geschah: Nichts. Kein Rauch, kein Lärm, auch die Zuschauer im Weingut Zimmer in Stetten, eingeladen von der CDU, verfielen zusehends in einen leichten Vorabenddämmer. Wären die vier Moderatoren nicht gewesen, das Publikum hätte gar nichts zum Lachen gehabt.
Öffentliches Fernsehschauen ist ja in, spätestens seit es Fußball gibt. Warum also nicht Politikern beim Streiten öffentlich Zugucken? Der Raum bei Zimmers füllt sich zusehends. Ältere Herrschaften, aber auch ein paar Jungwähler versammeln sich. Mahela Reichstatt ist eine von diesen jungen Menschen, die obzwar erst 19 Jahre alt, schon ganz genau weiß, was sie wählen wird: „Ich bewundere Angela Merkel schon seit sie Kanzlerin ist.“ Inhaltliche Gründe, gibt es die auch? Hm, da muss die angehende Musikstudentin passen, aber Bewunderung reicht ja vorerst auch.
Überhaupt die Jugend. Am Tisch ein junger Mann, auch er Student der Politik und Theologie, Typ: äußerst wohlerzogen und als Ferienjobber bei Joachim Pfeiffer angestellt. Schwarz-Gelb ist sein Wunschduo nach dem 27. September. Schlimm findet Patrick Junge die Haltung mancher junger Menschen, die sich von den Linken blenden lassen. Langsam kommt ein bisschen Wahlkampfstimmung auf. Zumindest in Sachen Kleiderordnung. Ingo Sombrutzki aus Schorndorf, im Pfeiffer-Team aktiv, betritt die Gaststube mit einer Tüte unterm Arm. Darin hat er ganz viele orangefarbene T-Shirts mit CDU-Logo drauf, die er zum Nulltarif anpreist. Wie überhaupt die CDU die ganze Zeche zahlt, was der Stimmung keinen Abbruch tut. Zwei junge Damen greifen begeistert zu. „Mit dem geh’ ich zur Wahl“, sagt die eine und freut sich jetzt schon auf den Aha-Effekt.
Fünf Minuten 47 Sekunden vor dem Duell betritt Dr. Joachim Pfeiffer den Ort der Handlung. „Schon so ein bisschen Showdown“, sieht er noch in der Luft liegen. Aber, so warnt er: „Es ist alles andere als entschieden.“ Spricht den letzten Satz gerade fertig und dann geht es auf dem Bildschirm los. Auftritt der Duellanten und in Stetten werden noch mal Vesperteller gereicht. An manchen Tischen versucht man sich ein wenig in Polemik gegen den ganz offenbar hier nicht so geliebten Steinmeier. „Der hat keinen Hals“, rutscht es einer Zuschauerin heraus und eine andere freut sich daran, dass „Frau Merkel heute wieder so nett aussieht.“
Die beiden, Merkel und Steinmeier, reden: Über die Finanzmärkte und Managergehälter, über „einfache Menschen, die die Folgen der Krise tragen müssen“ und davon, dass die „Soziale Marktwirtschaft die Versöhnung von Kapital und Arbeit“ sei. Das Ehepaar Zimmer schafft Wein-Nachschub an die Tische, mancher bestellt noch was zu essen. „Du, was ist eigentlich ein Mindestlohn“, will eine Frau von ihrem Mann wissen und Merkel sagt: „Es kann uns natürlich nicht zufriedenstellen.“ Im Rund gibt es jene, die ehrlich interessiert schauen und vielleicht auch hören, andere, die etwas müde wirken – die Themen, die Merkel und Steinmeier verhandeln, prickeln hier nicht wirklich: Hartz IV und Afghanistan, Atomausstieg jetzt oder irgendwann? Die Show hat Längen, man freut sich ab und an an der bösen Maybritt Illner, die Außenminister Steinmeier nicht ausreden lässt und mancher wünscht sich, Guido Westerwelle hätte versucht, sich dieses mal erfolgreich in die Runde einzuklagen oder Lafontaine hätte danach begehrt, mitreden zu dürfen. So kreisen die beiden angeblichen Kontrahenten umeinander rum wie zwei müde Ehepartner. Und in der Weinstube verschläft mancher sogar die Signalsätze, bei denen man üblicherweise hier applaudiert: „Wachstum schafft Arbeit.“ Immerhin einige Kritiker zollen dem tapferen Steinmeier, der, man merkt es wohl, eigentlich der bleiben will, der er ist, gegen Ende etwas Respekt: „Der wird immer besser“. Wären da nicht irgendwo am Abendhimmel die Linken, man hätte kein einziges Mal „Buh“ rufen können.
Wie die Parteiprominenz im Kreis das TV-Duell beurteilte
Und Dr. Joachim Pfeiffer, was meint er am Ende? „Ich habe keine weltbewegenden neuen Erkenntnisse erhalten, aber Frau Merkel ist sich treu geblieben“. Und zu Steinmeier? „Am Anfang dachte ich, da spricht Schröder.“
Auch die Parteienprominenz im Kreis zeigte sich in ihrer Beurteilung des TV-Duells gestern Abend gleich nach der Sendung einig: Die beiden Duellanten Merkel und Steinmeier taten sich schwer wirklich, prägnante Unterschiede in ihrer Politik herauszuarbeiten. FDP-Bundestagskandidat Hartfrid Wolff: „Das war eine Unterhaltung zwischen Chefin und ihrem ersten Stellvertreter.“ Die Große Koalition wirke eindeutig weiter nach. „Es wird Zeit, dass es Wahlen gibt und wir endlich eine Veränderung bekommen.“ Der Grünen-Bundestagskandidat Daniel Mouratidis: „Für mich war das mehr ein Duett als ein Duell. Die wollten sich beide gegenseitig nicht wirklich wehtun.“ Die Sendung nähre seine Befürchtung, dass hier gestrickt werde an einer Weiterführung der Großen Koalition.
„Ein bisschen mehr Pfeffer auf beiden Seiten wäre schon notwendig gewesen“, meinte auch Reinhard Neudorfer, der Bundestagskandidat der Linken. „Es wurde zwar immer versucht zu betonen, dass sich CDU und SPD so sehr unterscheiden, so unterschiedlich sind die aber gar nicht wie Merkel und Steinmeier getan haben.“
Matthias Klopfer hingegen konnte Unterschiede ausmachen. Der Schorndorfer SPD-Oberbürgermeister findet: „Ich bin überrascht. Steinmeier hat sich wacker geschlagen.“ Er habe für die SPD wichtige Punkte wie Mindestlöhne und Sozialstaat in den Vordergrund gestellt. Auch in der Abschlussrede habe Steinmeier gepunktet. Merkels Abschlussrede sei eher eine ihrer „Neujahrsansprachen“ gewesen.