Apr 29 2009

Überzogene Reaktion

Veröffentlicht von um 14:15 unter Pressespiegel

Fellbacher-Zeitungvom 29.04.2009

Kommentar

Mit einer Strafanzeige gegen Unbekannt wegen des Verdachts des „Geheimnisverrats“ holt Bürgermeister Altenberger den ganz großen Hammer raus, um seinen Gemeinderat zu disziplinieren. Die meisten Fraktionsvorsitzenden halten diesen Schritt wegen Indiskretionen aus nichtöffentlichen Sitzungen für angebracht. Doch sie vergessen: Damit stellen sie sich und dem Bürgermeister ein schlechtes Zeugnis aus.

Die derzeit so publikumswirksam zur Schau gestellte Empörung wegen eines einzelnen, im Detail vielleicht zu indiskreten, vielleicht auch rufschädigenden Artikels (nicht in unserer Zeitung) über das Grundstücksgeschäft mit Ernst Maile (über das auch unsere Zeitung berichtete) führt nicht weiter. Wer weiß denn schon, ob nicht gerade Fraktionen mit schlechtem Gewissen ganz besonders laut nach Bestrafung des angeblichen Verräters schreien, um den Verdacht woanders hin zu lenken? Und für den Bürgermeister gilt: Niemals lässt sich das politische Geschick, Beschlüsse dem Bürger wie seinen Vertretern im Gemeinderat zu erklären und Unterstützer zu gewinnen, durch den Ruf nach dem Staatsanwalt ersetzen. Die Öffentlichkeit zieht einen anderen Schluss: Es ist Altenberger nicht gelungen, eine bedeutende Minderheit oder auch nur einen einzigen wirklich unabhängigen Kopf in seinem Gemeinderat von dem Sinn oder der Redlichkeit seines Kaufbeschlusses zu überzeugen.

Es ist von den Gemeinden bis zur Bundespolitik eine gängige Praxis von Mandatsträgern und Interessenvertretern, an die Öffentlichkeit zu gehen, wenn sie Fehlentwicklungen vermuten oder sehen, in den Gremien aber unterlegen sind. Auch das ermöglicht die Demokratie, die eben mehr ist als eine Abfolge von Mehrheitsentscheidungen. Wenn sich auch nur der Anschein bietet, mit dem Grundstücksgeschäft Maile habe der Bürgermeister, einmal ganz salopp gesagt, einem Kumpel, wenigstens einem politischen Mitstreiter und Weggefährten, in fragwürdiger Weise unter die Arme gegriffen, wird jede Zeitung genauere Informationen darüber begierig aufgreifen. Solches muss dem Wähler bekannt werden, damit er gegebenenfalls seine Schlüsse daraus ziehen kann. Das ist die Aufgabe einer Zeitung.

Wenn einer Gemeindeverwaltung daraufhin nicht viel mehr einfällt, als sich auf die Nichtöffentlichkeit der Sitzung und die angebliche Normalität solcher Geschäfte zu berufen, kriegt sie das Gschmäckle einer völlig falsch verstandenen „Wirtschaftsförderung“ nicht los. Es ist im übrigen nicht gerade ein Zeichen souveräner Amtsführung, wenn ein Schultes den Versuch unternimmt, einen seiner Kritiker oder vielleicht auch mehrere zu kriminalisieren statt zu integrieren.

Ein Zeichen setzt die Gemeinde Kernen jetzt durchaus: Dort streiten die Kommunalpolitiker sich. Aber auch dies: Dort wird überzogen reagiert. „Geheimnisverrat“ ist ein völlig übertriebener Vorwurf. Der Paragraf über Verrat von Dienstgeheimnissen zielt auf Amtsträger, nicht auf Kommunalpolitiker, die nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs ausdrücklich keine Amtsträger sind. Allenfalls Kernens Gemeindebeamte könnten sich des „Geheimnisverrats“ schuldig machen. Und diese Zielrichtung beleuchtet wiederum Altenbergers Amtsführung: Sitzt der vermutete Maulwurf gar in der eigenen Verwaltung? Entweder der Bürgermeister hat kein Vertrauen zu seinen Mitarbeitern, oder er hat sich in seiner eigenen Behörde einen erbitterten Feind geschaffen. Beides wäre zum Schaden der Gemeinde Kernen und spräche nicht zuletzt auch gegen ihn selbst.

Quelle: Fellbacher Zeitung vom 29.04.2009 / Text: Hans-Dieter Wolz

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