Nov 28 2008

Kompromisse wie im richtigen Leben

Veröffentlicht von um 00:01 unter Pressespiegel

waiblingerzeitungvom 27.11.2008

Zwölftklässler des Waiblinger Staufer-Gymnasiums lernten im Kernener Gemeinderat, wie Kommunalpolitik funktioniert

Kernen-Stetten (schi). Selten, dass so viele gebannt einer Gemeinderatssitzung in Kernen lauschen. Für die 35 Gymnasiasten, die sich von Gemeinderäten und Hauptamtsleiter Bühler in Zuständigkeiten, Haushaltsplan und andere Rathaus-Spezialitäten einweihen ließen, war es Neuland. Kommunalpolitik, lernten sie, sei Prioritäten setzen. „Das ist wie im richtigen Leben auch“, sagt Andreas Wersch.Mit ihrem gesunden Menschenverstand machen sich Außenstehende vielleicht andere Vorstellungen von Kommunalpolitik, als sie in der Praxis tatsächlich funktioniert. Entsprechend stellten die Zwölftklässler des Waiblinger Staufer-Gymnasiums Fragen, die Rathausprofis verwundern könnten, aber gar nicht aus der Welt sind. Beispiel Feldwegebau. Da war die Vorstellung, dass ein neutraler „Fachkundiger“ doch am allerbesten wissen müsse, welcher Feldweg 2009 ausgebaut und welcher zurückgestellt gehöre. Eine Schülerin fragte: „Wer beschließt eigentlich, dass ein Feldweg gebaut werden soll, wenn der überhaupt nicht nötig ist?“ Gute Frage. An der kommunalpolitischen Wirklichkeit geht sie aber vorbei. Denn fürs kommunale Feldwegeprogramm erarbeitet die Bauverwaltung eine „neutrale Expertenvorlage“, doch es beschließt am Ende der Gemeinderat – nach von Fraktion zu Fraktion verschiedenen Kriterien. CDU-Fraktionschef Andreas Wersch versuchte zu
erklären: „Das ist wie im richtigen Leben auch: Man muss Prioritäten setzen. Aber es gibt einen Abwägungsprozess. Und ein Gemeinderat sagt: Der Feldweg A ist mir lieber als der Feldweg B.“ Da sind wir mittendrin in der Kommunalpolitik. Sie ist interessen- und nicht expertenbestimmt. Der Gemeinderat handelt Kompromisse aus, und er braucht Mehrheiten. OGL-Fraktionssprecherin Ulrike Ebeling-Silber präzisierte: „Die Vorschläge kommen von der Verwaltung, aber auch aus den Fraktionen oder aus der Bürgerschaft.“ Dr. Volker Borck (CDU) führte das Wort Gemeinwohl an: „Gemeinderäte haben das Wohl der Gesamtgemeinde im Auge.“ Eine beliebte Hilfskonstruktion, die ohne demokratisches Fundament nicht trägt. Weil die einzelnen Bürgervertreter unter Gemeinwohl nicht selten Gegensätzliches verstehen, braucht es im Gremium den Meinungsstreit. Die 35 Gymnasiasten, die am „Staufer“ in Klassenstufe 12 das Fach Gemeinschaftskunde belegen, besuchten Kernen im Rahmen der Kampagne „Komm wählen“ des Kreisjugendrings Rems-Murr. Der Großteil von ihnen ist 18 und darf im Frühjahr erstmals die Wahlzettel zur Kommunalwahl ausfüllen. Hauptamtsleiter Bernhard Bühler erklärte den jungen Leuten, wie die Gremien, in die sie die Kandidaten per Kreuzchen entsenden werden, funktionieren.

Auch mancher Gemeinderat konnte da noch etwas lernen: „Im Technischen Ausschuss sitzen die technisch Begabten“, erklärte Bühler. Es seien zwei beschließende Ausschüsse eingesetzt, ein Zukunftsbeirat, eine Kindergartenbedarfsplanungsgruppe und eine Baukommission für den Kindergarten Halde. Da drängte sich die Frage auf: „Wenn’s für alles einen Ausschuss gibt, warum gibt es dann einen Gemeinderat?“ Bühler: „Ein Ausschuss entscheidet bei Ausgaben bis 125 000 Euro, darüber der Gemeinderat. Auch Satzungen beschließt nur der Gemeinderat. Oft dienen Ausschüsse auch nur der Vorberatung.“Erklärungsbedürftig: Im Gemeinderat werde weniger diskutiert und eher abgestimmt, weil schon in der Fraktion und im Ausschuss vorberaten wurde, merkte der Stettener CDU-Mann Andreas Wersch an. Wobei kein Fraktionszwang herrsche und überfraktionelle Zweckgemeinschaften zwar nicht die Regel, aber ohne Berührungsängste Praxis seien. „Wir haben schon Schwarz-Grün gehabt, da wussten die im Bund noch gar nicht, was das ist.“Nichtöffentlich oder öffentlich? Im Grundsatz habe alles öffentlich zu sein, sagt Bühler. Von kleinen Ausnahmen abgesehen.

Quelle: Waiblinger Kreiszeitung vom 27.11.2008 / Text: H.-J. Schechinger

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