Aug 04 2017

Von der Kugelbahn zum „Kögelwahn“…

Veröffentlicht von um 11:58 unter Pressespiegel

Mitteilungsblatt vom 09.08.2017

Der Gemeinderat hat sich mit großer Mehrheit für die Errichtung einer sogenannten „Kugelbahn“ ausgesprochen, die schon bei der Landesgartenschau in Schwäbisch Gmünd eine Attraktion war und die ab 2019 sicher auch zur Attraktion am Stettener Waldrand werden kann. Über den Preis und den pädagogischen Nutzen kann man sicher streiten. Einige wenige Gemeinderäte stimmten dagegen und PFB-Gemeinderat Ebbe Kögel nutzte die Gelegenheit, dem Gremium lautstark die (eigene) Meinung vorzugeigen.

Nun mag den engagierten Hobby-Historiker vermutlich weniger die Holzbahn selbst gestört haben, sondern mehr die Bezeichnung „Herzogliche Kugelbahn“, mit der die Gemeinde Kernen i.R. die jahrhundertelange Beziehung des Herzoghauses insbesondere zum Ortsteil Stetten hervorheben möchte. Noch heute besitzt das Weingut des Hauses Württemberg (die ehemalige Hofkammer) Weinberge in der Lage „Brotwasser“ rund um die Yburg und weitere Flächen auf der Gemarkung. Ebbe Kögel aber bezeichnete die Württemberger in der Gemeinderatssitzung öffentlich als „Verbrecher und Mörder“ und schoss mit seinen Vergleichen wieder einmal über das Ziel hinaus.

Vorab: der Verfasser dieser Zeilen, selbst ein (echter!) Historiker, ein „G’schdudierter“, wie Ebbe Kögel verächtlich-ironisch sagen würde, stimmt ihm in Teilen sogar zu: durchaus hat das Haus Württemberg durch die Jahrhunderte betrachtet keineswegs nur eine rosige Geschichte vorzuweisen. In der Tat hat Graf Ulrich von Württemberg mitten in der Schlacht von Frankfurt 1246 die Seiten gewechselt. Vom Papst bestochen, fiel er seinem eigenen Verwandten, dem Stauferkönig Konrad, in den Rücken, beerbte daraufhin dessen Ländereien und begründete mit diesem Verrat den Aufstieg und Wohlstand des Hauses Württemberg. Das ist nun fast 800 Jahre her, aber es macht die Sache nicht besser. Vielleicht sollte man auch gleich noch die Katholische Kirche mit in Sippenhaft nehmen (das Bestechungsgeld kam schließlich vom Papst) und als Wiedergutmachung die Stettener Kirche abreißen lassen. Dort könnte dann endlich die von Ebbe Kögel in der Nähe zur Diakonie geforderte Mobilitätsstation gebaut werden. Ein weiteres Beispiel: 1515 ermordete Herzog Ulrich (ein anderer, man sieht’s an der Jahreszahl) höchstselbst seinen Stallmeister Hans v. Hutten während einer Jagd im Bebenhausener Forst. Der war mit einer Stettenerin (!) verheiratet, Ursula Thumb v. Neuburg, und auf genau die hatte es der Herzog abgesehen. 1516 wurde über ihn deshalb die Reichsacht verhängt, 1519 hatten auch die Landstände genug von ihm und jagten ihn (vorerst) aus dem Land. Kögel hat also durchaus Recht mit seiner Behauptung: ja, es waren auch Mörder unter ihnen, den Württembergern.

Was hat das Ganze nun mit der geplanten „Herzoglichen Kugelbahn“ zu tun? Nichts, rein gar nichts!

Denn es ist schon tief in die Mottenkiste der Landesgeschichte gegriffen, wenn man hier eine Verbindung z.B. zu Herzog Michael herstellen möchte, der sich oft und gerne in Stetten aufhält. Das Haus Württemberg war nämlich durchaus auch wohltätig unterwegs im Flecken, wie nicht nur Ortschronist Adolf Kaufmann zu berichten weiß. Den Stettenern hat es keineswegs nur geschadet, seit Mitte des 17. Jahrhunderts zur Hofkammer, zum „Privatbesitz“ der Württemberger zu gehören. Von zahlreichen Wohltätigkeiten bis hin zum Kriegsdienst, den man als Stettener in der unmittelbaren Zugehörigkeit zur Reichsritterschaft nicht leisten musste.

Das alles mag man dem Gemeinderat Ebbe Kögel vielleicht nachsehen, wenn er nur die eine Seite der Medaille kennen will. Wie gesagt: „a bissle“ hat er ja Recht. Den Vogel aber schießt er zweifelsohne mit seinem Vergleich ab zwischen dem in der Forstwirtschaft notwendigen Fällen von (kranken) Bäumen und der Euthanasie, der Ermordung von Menschen mit Behinderung (eben auch aus Stetten) in der Gaskammer von Grafeneck auf der Schwäbischen Alb. Das geht auch für einen Ebbe Kögel eindeutig zu weit! Hier wäre eine Klarstellung hilfreich. Eine Entschuldigung ist sicher nicht zu erwarten, das wäre für Ebbe, der (zu Recht) Anglizismen wie den „Bike-Tower“ nicht mag, nun wirklich ziemlich „unlike“…

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